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Der Bocksgraben
am Ochsenkopf (Fichtelgebirge)
Dietmar Herrmann
Im südöstlichen Bereich
des Ochsenkopfes gibt es einen etwa 3,5 km langen Wasserlauf
mit der Bezeichnung „Bocksgraben“. Er beginnt am Berghang
in etwa 800 m Meereshöhe, durchzieht quer den Hang
in östlicher Richtung, kommt nach Fichtelberg,
biegt nördlich um und mündet in den Mühlweiher.
Von Fichtelberg aus hat die Ortsgruppe Fichtelberg des
Fichtelgebirgsvereins entlang des historischen Wasserlaufs
einen markierten Wanderweg angelegt, den „Bocksgrabenweg“,
der in Fleckl endet. Bereits im 17. Jahrhundert taucht
in der Heimatliteratur der Name Bocksleite auf, ohne
dass man weiß, woher er kommt und was er bedeutet.
Bekannt ist, dass der Bocksgraben ein künstlich
angelegter Wasserlauf ist und dass es in den Jahren
1797 bis 1801 wegen ihm zu erheblichen Auseinandersetzungen
kam.
Das Gebiet des Bocksgrabens gehörte
damals zum Bergamt Fichtelberg, das eine eigenständige
Behörde war, ausgestattet mit eigener Gerichtsbarkeit.
Die Bewohner mussten ihre Steuern an das Bergamt und
nicht an das kurbayerische Kastenamt Kemnath zahlen.
Im Gebiet des Bergamtes herrschte reger Bergbau und
Eisenverhüttung. In Fichtelberg selbst gab es zwei
Hochöfen, die in Betrieb waren und für die
Landesverteidigung eine große Anzahl von Kugeln
herstellen mussten. Die Werke litten besonders in der
trockenen Jahreszeit an Wasser zum Betrieb der Wasserräder
und Blasebälge. 1795 begann das Bergamt von Fichtelberg
aus einen „Kunstgraben“ in den Ochsenkopfhang zu graben,
um dort die Quellen aufzufangen und den Wasserzufluss
für die Fichtelberger Werke zu stärken. Das
Berg- und Münzmeisteramt in München, die vorgesetzte
Behörde, hatte die Genehmigung für diese Maßnahme
erteilt.
Im Gebiet des oberen Bocksgrabens
entsprangen aber auch die Quellflüsse der Warmen
Steinach, die nun in Richtung Fichtelberg und Fichtelnaab
abgeleitet wurden. Am Wasserlauf der Steinach gab es
Drahtfabrikanten, Waffenhammer-, Schneidsägen-
und Mühlenbesitzer, die ihrerseits die Wasserkraft
für ihre Werke dringend brauchten und sich nun
in der Ausübung ihrer Tätigkeit bedroht fühlten.
Wie das Kastenamt Kemnath feststellte, war der Hauptfluss
und vier von fünf Nebenflüssen durch die Fichtelberger
bereits „abgezapft“ worden, sodass auf der Steinach
auch das Flößen von Brennholz nach Bayreuth
nicht mehr möglich sei. Zwischen den Werkseigentümer
an der Steinach, dem Kastenamt Kemnath und dem Bergamt
Fichtelberg entspann sich ein scharfer Briefwechsel
und auch die kurfürstliche Landesregierung in München
erhielt geharnischte Briefe. Das Bergamt Fichtelberg
ließ sich nicht einschüchtern und arbeitete
„mit verdoppelten Kräften“ an der Wasserableitung
weiter, sodass die Werke an der Steinach wegen Wassernot
oft drei bis vier Tage lang nicht arbeiten konnten.
Im Jahr 1801 kam zwischen den Werksbesitzern
an der Steinach und dem Bergamt Fichtelberg ein gerichtlicher
Vergleich zustande. Die Werksbesitzer mussten ihre Beschwerde
bei der kurfürstlichen Landesregierung zurücknehmen
und erhielten die Erlaubnis, alle Brunnen unterhalb
des Bocksgrabens zu fassen und in ihre Werke einzuleiten.
Der Hauptbetroffene, Werksbesitzer Heider, erhielt zusätzlich
das Fischrecht im Schneid- und Glaserbach und in der
Warmen Steinach. Mit dem Niedergang des Bergbaus und
der Eisenverarbeitung gingen auch die Drahtmühlen
und Waffenhämmer im Tal der Fichtelnaab und Steinach
ein, der Bocksgraben hatte damit seine einst so wichtige
Bedeutung verloren.
Was die damaligen Beteiligten wohl
nicht interessierte und auch heute noch weitgehend in
der Öffentlichkeit unbeachtet bleibt ist die Tatsache,
dass durch den Bau des Bocksgrabens und der Ableitung
der Steinachquellen zur Fichtelnaab der Nordsee erhebliche
Wassermengen entzogen und dafür dem Schwarzem Meer
zugeleitet werden. Die Warme Steinach fließt bekanntlich
zum Main und über den Rhein in die Nordsee, die
Fichtelnaab über die Donau in das Schwarze Meer.
Literatur:
Bayerl, Lorenz:
Die Abgrabung des sogenannten Roten Maines und dessen
Einleitung in die Nab durch das Bergamt Gottesgab am
Fichtelberg 1797 – 1809
Der Siebenstern 1928, S. 40
Vollrath, Heinrich:
Die Veränderungen des Gewässernetzes durch
Bachumleitungen im Hohen Fichtelgebirge
Der Siebenstern 1976, S. 115
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