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... dz ich meine sonderbare freidt daruber gehabt..."

Von der Entstehung des Bergamtes "Gottesgab am Fichtelberg" oder wie die Ortschaften Neubau und Fichtelberg gegründet wurden

Horst Pecher

Um 1600 war das oberste Fichtelnaabtal dort, wo sich jetzt die Orte Neubau und Fichtelberg gegen den breiten südöstlichen Abhang des Ochsenkopfes erstrecken, noch mit einer unwegsamen Waldwildnis bedeckt. Nur eine kleine Siedlungszunge mit wenigen Häusern schob sich von Süden herauf bis zum jetzigen Fichtelberger  Ortsrand. Weiter naabaufwärts verengt sich der bis hierher noch weite Talboden, steile Hänge und die deutlich ansteigende Höhenlage haben bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts eine weitere Besiedlung gegen das innere Zentralmassiv verhindert.

Ab dem Jahr 1602 jedoch kommt tätiges Treiben in diesen nördlichsten Winkel der Oberen Pfalz. Eine Gewerkschaft von sechs Männern hat sich gebildet, um in dieser unwirtlichen Gegend nach geeignetem Eisenerz zu suchen, es auf die für jene Zeit modernste und rentabelste Weise in Hochöfen zu verhütten und es gewinnbringend zu verarbeiten. In den weiten Wäldern wächst ausreichend Holz, das zu Holzkohle gebrannt in den Öfen, Schmieden, Hämmern und Gießereien in großen Mengen benötigt wird. Und von den Bergen läuft genügend Wasser auf die Triebräder der Werke.  

"Gottesgab am Fichtelberg" nennt man zurecht das Bergwerk am Gleißinger Fels und später auch das weit über das obere Fichtelnaabtal hinaus bedeutsame Bergamt. Die ersten Wohnhüttlein entstehen, Anfänge einer bald wachsenden und blühenden Bergmannssiedlung.

Ein erschreckendes Ereignis Mitte des Jahres 1602, das die Regierung der Kurpfalz auf eine schwere Bewährungsprobe stellt, hätte die Gründung des Werkes "am Fichtelberg" und der beiden Ortschaften Neubau und Fichtelberg fast verhindern, zumindest verschieben können:   

15. Juni:

Kurfürst Friedrich IV. (1574 - 1610), der Landesherr "bey Rhein" und der Oberen Pfalz, ist nach einem Gewaltritt erhitzt und überanstrengt zusammengebrochen und in tiefe Bewusstlosigkeit gefallen. Da er auch immer wieder von heftigen Krämpfen geschüttelt wird, muss mit dem Schlimmsten gerechnet werden. Und sein designierter Nachfolger, der Kronprinz, ist erst sechs Jahre alt!  
Die eiligst in der Hauptstadt Heidelberg zusammengerufenen Räte und höchsten Regierungsbeamte erstellen in Kürze ein zunächst provisorisches Testament,  bestimmen einen Administrator und Vormund für den jungen Kurerben.  
Erst nach Tagen bessert sich der Gesundheitszustand des für sein ausschweifendes  Leben bekannten Kurfürsten. Er kann sich schließlich so weit erholen, dass er im Stande ist, trotz mehrerer Rückschläge die notwendigen Entscheidungen für 1602 und die nächsten Jahre zu treffen.

10. August:

Wahrscheinlich angeregt durch eine Bergfreiheitserklärung Friedrichs IV. von der Pfalz aus dem Jahre 1600, in der den möglichen Betreibern von Bergwerken erhebliche Rechte und Vorteile eingeräumt werden, hat sich eine Bergbaugewerkschaft von sechs Männern gebildet. Sie wollen eine Erzfundgrube am Gleißenfels und auch "an dem Schwarzberg" bei Kulmain betreiben. Dazu  stellen sie an die Regierung der Oberen Pfalz in Amberg einen Antrag: "Erstlich mutten wir am gleißenfelß auf dem Fichtelberg nach berckwercks ordtnung und gebrauch, eine Fundtgruben ... auf allerley Metall und Mineraln, gengen, Klüfften, flezen einzuschlagen." Darüber hinaus erbitten sie  "dz holz onne waldtzinß ...6 Jar lanng", wollen aber keinen Raubbau am Wald betreiben, "sonndern den waldt also verschonen." Zur Verhüttung des Erzes soll "ein hocher offen" errichtet werden "sambt Zweyen wohnheüßern und einem hammer, an der Nab, da beede Nab zusamen fallen bey des Schmidts Fichtrab." Auch an die Versorgung der zukünftigen Bewohner denken die Gewerke: "Ferner bitten wir gleichwoll bey den wohnheüßern umb blaz zu einem gärttlein 2 oder 3 Eckherlein zu machen, darinen ettwa Ruben (Rüben) und Krautt unnd anndere dergleichen zur haußhaltung nottwendige sachen, khenen gepflanzet werden."

Als "Lehentreger und gewerckhen" sind aufgeführt:

"Herr Georg von Schenberg waldtenburg und Glauchen (Schönberg, Waldenburg und Glauchau in Sachsen)
Herr Doctor Michael Loefenius (einflussreicher Oberrat an der Regierung in Heidelberg)
Herr Oberster Vorst und Jegermeister Heinrich von Eberbach (Kanzler am Hofe des Kurfürsten)
Theophilus Richius Rentmeister (am Rentamt in Amberg)
Matheus Carl und Hans Glaser Hüttenmeister zu warmensteinach"

2. September:

Christian von Anhalt, kurfürstlicher Statthalter in der Oberen Pfalz, berichtet an den Kurfürsten "wegen der gewerkhen am gleissenfelß."
Er hat das Amt schon seit 1595 inne und residiert in Amberg, der Hauptstadt der Oberpfalz. Bei einem Aufenthalt des Landesherrn Friedrich IV. von 1596 bis 1598 in Amberg "machte der begabte und vielseitige junge Statthalter, der eine bestrickende Liebenswürdigkeit besessen haben muss, einen großen Eindruck auf den Kurfürsten." (V. Press, Calvinismus...)
Seit dieser Zeit entwickelt sich eine enge, freundschaftliche Beziehung zwischen den beiden, wobei Christian von Anhalt als willkommener Berater einen starken Einfluss auf die Entscheidungen des Landesherrn ausüben kann. Dies wird sich für das Vorhaben der Gewerke positiv auswirken.

Fürst Christian,  der von Anfang an das "Werk am Fichtelberg" eifrig befürwortet, schlägt dem Kurfürsten vor, sowohl der Errichtung eines Hochofens wie auch der "erbauung eines hammers, Zweyer Huttlein und 3 gertlein" zuzustimmen.
Wegen der Befreiung vom Waldzins auf 6 Jahre empfiehlt er, zunächst einmal das erste Jahr alles Holz frei abzugeben. Danach werde man sehen, wie hoch der Bedarf sei und der Landesherr könne dann die weiteren Entscheidungen treffen.
Er weist allerdings ausdrücklich auf die alten Bergbaurechte der Herren von Hirschberg in Ebnath hin, die ihnen aus einem kurfüstlichen Mannlehensbrief von 1478 zustehen und empfiehlt, dass sich die Gewerke zuvor unbedingt mit ihnen einigen sollen.

14. September:

In einem Schreiben wendet sich Matheus Carl, kurfürstlicher Beauftragter für das Bergwerkswesen, an seinen Landesherrn mit einer "underthenigen Supplication" (Bittschrift) und zwar mit einer "bitt umb ergözligkeit".

Wir erfahren in diesem Schreiben, dass Matheus Carl bereits sechs Jahre in Diensten des Kurfürsten steht und "mit allem gueten lust und willen, ganz gehorsdamlich gewesen" ist und wöchentlich während seiner Dienstreisen "10 fl (Gulden) und freye Zehrung gehabt." Er ist jedoch auch des Öfteren in große Gefahr geraten und habe gesundheitlich wie auch geschäftlich - er betreibt in Nürnberg eine Goldschmiedewerkstatt - sehr großen Schaden erlitten. Zur Bekräftigung zählt er eindrucksvolle Beispiele dafür auf: "... alß ich verflossenen January von Amberg nach hauß geraist, dz mich das gewesser (Überschwemmung), in freyem feldt übereilt dz ich nit allein ertrunckhen sondern also in dem gewesser erfroren, dz ich in die 6 wochen bettriß (bettlägerig) gelegen... zu meiner ankhunfft (in Nürnberg) gefunden, dz mir nit allein mit schaden gearbeitet, und alles in hauffen schmelzen müssen, dardurch auch meine besten Kundtschafftsleuth die mich täglich mit gueter arbeit versehen, verloren."

Zum Schluss bittet er "Seine Churfürstliche Gnaden", ihm "gnädigst zu hilff zu kommen, mit einer ergözligkeit ... ganz gnedig zu begnaden und begaben", betont aber auch, dass er "forthin mit besten fleiß ... iederzeit ganz underthenigst getreu und gehorsamblich" sich erzeigen werde.

Tatsächlich erweist sich Matheus Carl in den Jahren des Aufbaus und der ersten Erfolge des Bergamts Gottesgab am Fichtelberg als tatkräftiger Mitarbeiter und Gewerke, der sich besonders bei der Arbeit vor Ort zusammen mit dem Hüttenmeister Hans Glaser aus Oberwarmensteinach als Praktiker äußerst engagiert zeigt.  
Wird der Kurfürst Carls Bitte nachkommen und ihn mit einer "ergözligkeit begaben"?

21. September:

"Friderich von Gottes Gnaden, Pfalzgraf bey Rhein" zeigt sich in einem Schreiben an seinen Statthalter in Amberg wegen des Antrages der Gewerke vom 10. August  "nicht ungeneigt", erwähnt allerdings  auch die verbrieften Bergbaurechte der Hirschberger und verlangt, dass sich die Gewerke "derselben halben mit ihnen vergleichen müßen."
Haben die Antragsteller diese Bedingung erfüllt, werde er als Kurfürst und Landesherr sie bereitwillig unterstützen, "daß sie mehr favors (Vergünstigungen) alß einige Hinderung ihres vorhabens kunfftig im werckh zu spüren hetten."  
Tatsächlich kann Christian von Anhalt seinem Kurfürsten in einem Schreiben vom 20. Oktober mitteilen, dass die Hirschberger "die Gewercken favorn", d.h. sie begünstigen und ihrem Vorhaben nicht schaden wollen. Damit stehe einer Genehmigung durch den Kurfürsten nichts mehr im Wege, ergänzt der Statthalter.

5. Oktober:

Fürst Christian von Anhalt unterstützt in einem Schreiben an den Kurfürsten eindringlich den Antrag des Matheus Carl  auf eine "ergözligkeit",  indem er dessen Verdienste würdigt und seine geschäftlichen Verluste durch lange Abwesenheit von seiner Werkstatt und eine mehrwöchige Krankheit bestätigt.

Der Betrag von 100 fl, den der Statthalter als "ergözligkeit" vorschlägt, erscheint zunächst sehr hoch gegriffen, wenn man bedenkt, dass zwei Berghauer am Schwarzberg bei Kulmain nur 1 fl 10 kr (Kreuzer) wöchentlich verdienen, wobei sie
für Arbeitsgeräte und Verpflegung selbst aufkommen müssen. Geschickt schwächt der Statthalter, der die erheblichen Leistungen und das fachliche Wissen des
Matheus Carl voll erkennt, diese hohe Summe von 100 fl ab, indem er sie auf dessen sechs Dienstjahre verteilt (das sind 16 fl 40 kr pro Jahr), mit der Absicht, dass die  Sonderprämie dem Kurfürsten gar nicht mehr so hoch erscheine.

22. Oktober:

Friedrich IV. antwortet auf das Bittschreiben des Matheus Carl vom 14. September und der Befürwortung des Amberger Statthalters.
Den Nürnberger Goldschmiedemeister ernennt er  "uff 3 Jahr lang zu eim Probirer, Berguffseher undt Hoffgoldtschmied", erkennt den erlittenen Schaden an und genehmigt ihm eine "ergetzung von hundert gülden." Mit Nachdruck besteht der Landesherr allerdings darauf, dass "er auch schuldig sein soll, uff unser Jederzeit erfordern, bey hienidigen bergwercken zu erscheinen und das Jenige so Ihme ufferlegt werden möchte, treuen fleißes zu verrichten."

18. November:

Nachdem sowohl die Rechenkammer der Oberen Pfalz - Rentmeister ist der Gewerke Theophil Richius! - als auch der Statthalter in Amberg den Antrag der Gewerke vom 10. August voll zugestimmt und die Hirschberger keine Einwände mehr bekundet haben, genehmigt nun der Kurfürst und Landesherr Friedrich IV. das Vorhaben am Fichtelberg:
"... Und weile ins gemein darfür geachtet würdt, daß so wohl unser als auch gemeiner Landschafft und unser underthanen Nuzen Und wohlfart durch diß werck befürdert werden kann, So thun Wir uns dahin erkleren, daß Ihnen die uffrichtung eines hohen offens hirmit bewilligt, darneben auch deß Waldtzinß drey Jahr lang befreyet sein, und darzu Ihnen zu uffrichtung Zweyer wonhuetlin und 3 gertlin, ein gewißer Gezirk abgesteckt ... und daß Volck darauf gesezt wirt, uns verpflicht gemacht werde."
Damit spricht er nicht nur die Genehmigung aus, einen Hochofen zu errichten und
für drei Jahre keinen Waldzins zu verlangen, sondern auch ein

e Fläche abzustecken, auf denen zwei kleine Wohnhäuser erbaut und drei Gärtchen angelegt werden dürfen. Die Menschen, die sich dort ansiedeln, sollen auf ihn verpflichtet werden, d.h. ihn als Landesherrn anerkennen. Als überzeugter Calvinist meint er damit sicherlich auch, dass die  Untertanen in der künftigen Bergmannssiedlung seine Religion übernehmen.  

16./17. Dezember:

Mit einer ausführlichen und detaillierten Instruktion des Statthalters kommt Matheus Carl am 16. Dezember zum Hammermeister Johann Glaser "in der (Ober-) warmensteinach." Tags darauf "zu frie" besichtigen beide zunächst die "Zech und Fundtgruben" am Grasberg im Waldgebiet südöstlich der jetzigen Ortschaft Fichtelberg. Hier befindet der "Churpfälzischer bergufseher und probirer" das Gebiet "etwas wasernöttig" und das Erz "zimlich mit breckh undermengtt", also zu unrein, so dass er "daselbst zu bauen wenig herz hett."
"Dißen tag seindt wir Abendts an gleißenfels gereist, den ich also befunden, dz ich meine sonderbare freidt gehabt," berichtet Carl weiter. Es arbeitet dort bereits ein Arbeiter, der "außerlesen Erz" gebrochen hat, dazu fünf Zimmerleute, vier Holzhacker und zwei Berghauer.  

An der Fichtelnaab findet er bereits das Dach für das Hochofengebäude und das "Prustgebau", in dem später die Blasebälge eingebaut werden sollen, "verfertigt", dazu ein Köhlerhaus und einen Wassergraben. Schnee und Kälte haben allerdings einen weiteren Baufortschritt verhindert.

Neben der notwendigen Wasserenergie, die die Naab und ihre Nebenbäche liefern werden, sieht Carl die Energiequelle Holz in solchen Mengen, dass "in 500 Jarn alda im geringsten an holz nicht mangel erscheinen werdt."
Überaus großes Lob spendet er dem Hüttenmeister Hans Glaser, der bisher die Vorarbeiten geleistet hat und der "also hanndlet, als ob er für seine eigenen kinder solches bestelte."

Mit diesen guten Eindrücken reist Matheus Carl am nächsten Tag weiter nach Sachsen und Böhmen, um dort entsprechend der Instruktion bereits laufende Hochöfen und Werke zu besichtigen und "nachrichtung und information in dißen Sachen zu erlangen," die den Gewerken beim Aufbau und dem Betrieb ihres Werkes von Nutzen sein können.
"Neugebäu" nennt man die erste Bergmannssiedlung, die bereits 1602 um den Hochofen und den ersten Hammer entsteht. Den treffenden Namen "Gottesgab am Fichtelberg" gibt man dem Bergwerk, dem späteren Bergamt an der Naab unterhalb des Zainhammerberges und dem darum entstehenden Ort, der viel später einfach zu "Fichtelberg" abgekürzt wird.

Literatur:

Volker Press, Calvinismus und Territorialstaat, Regierung und Zentralbehörden der Kurpfalz, 1559 - 1619, Klett Verlag, Stuttgart, 1970
Ders. Die Grundlagen der kurpfälzischen Herrschaft in der Oberpfalz 1499 - 1621
Aus: Verhandlungen des historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, 1977
Dirk Götschmann, Oberpfalzer Eisen, Bergbau- und Industriemuseum Ostbayern, Theuern, 1985
Karl-Otto Ambronn und Achim Fuchs, Die Oberpfalz wird bayerisch1978
Die Oberpfalz, ein europäisches Eisenzentrum, Bergbau- und Industriemuseum, Bde. 12/1 und 12/2, 1987
Staatsarchiv Amberg (StAAm), Hammer- und Bergwerkssachen Nr. 19, 23, 35, 224
Bildmaterial: Kurpfälzisches Museum, Heidelberg und Privatarchiv Albert Lichtblau

Anschrift des Autors: Horst Pecher, Nagler Weg 11, 95686 Fichtelberg.
Der Artikel wurde abgedruckt in der Vereinszeitschrift des Fichtelgebirgsvereins e.V.
"Der Siebenstern" 2002, Heft 3, Seite 121-125.

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