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Umleitung des Seehausbaches in den Fichtelsee erst 1854?

Rudolf Thiem

Im Frühjahr 2001 spielte der elf Jahre alte Michael Kastl aus Neubau (Gemeine Fichtelberg) oberhalb vom Seehaus-Parkplatz an der Ostseite des unter dem Wanderweg nach Seehaus verlegten Durchlasses im Seehausbach. Er kratzte Schwemmsand weg und stieß dabei auf einen ziemlich  großen Granitstein, in dem die Jahreszahl 1854 eingemeißelt ist. Dass es sich um eine Jahreszahl handelt, ist nicht zu bezweifeln. Damit der Stein mit der Jahreszahl nicht wieder zugeschwemmt wird, hob ihn Max Braun aus Fichtelberg aus dem Bachbett heraus und setzte ihn am Rand des Baches so ein, dass die Zahl gut sichtbar ist, wobei ihm Alfred Kastl, der Vater des Finders Michael Kastl, behilflich war.

Der Seehausbach floss ursprünglich in den Weißen Main. Nach 1750 wurden zwischen dem heutigen Seehaus-Parkplatz und dem Seehaus die Zinnseifenwerke "Friedrich-Carls-Glück" und "Glück auf" betrieben. Schon 1778 beschwerte sich der Besitzer des Hammerwerks Fröbershammer bei Bischofsgrün, Kommerzienrat Müller, wegen Schädigung seiner Fischweiher durch die über den Main abfließenden Seifenwässer. Auch die Forstbehörden beklagten sich über die Verschlämmung und Verderbung des Waldgrundes. Obwohl man die Klagen als berechtigt anerkannte, wurde offensichtlich vorerst nicht zu ihrer Abstellung unternommen. Deshalb gingen die Klagen Müllers, der zu einem der größten Feinde der Zinnseifen geworden war, weiter.

Bei der Wiederaufnahme der Zinnseifenwerke 1820 wird berichtet, dass man Dämme und Gräben anlegte, um die Seifentrübe in die Seelohe zu leiten. Von Forstamtmann Hans Schwenk, der lange Zeit für das dortige Staatsforstrevier zuständig war, konnte erfahren werden, dass südlich vom Seehaus-Parkplatz und der B 303 (Fichtelgebirgsstraße) in einem begrenzten Bereich auf dem sonst kargen Moorboden ein besonders wüchsiger Fichtenbestand steht. Die dort erfolgte Einleitung der Seifentrübe bewirkte offensichtlich eine Bodenverbesserung.

Über den Zeitpunkt der Umleitung des Seehausbaches in die Seelohe und in den Fichtelsee gibt es in der Literatur widersprüchliche Angaben. Nach Christoph Schaller (Goethe im Fichtelgebirge, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken 1973, S. 303-322) erfolgte die Umleitung des Seehausbaches durch die Seelohe in den neu angelegten Fichtelsee 1795 mit Genehmigung des Oberbergamtes in München, da die Hüttenwerke in Fichtelberg/Neubau großen Wasserbedarf hatten, den ein Stichgraben in das Moorgebiet der Seelohe nicht zu decken vermochte. Eine archivalische oder andre Quelle gibt Schaller nicht an. Christoph Seidel (Besinnliches über die Quellen der Fichtelgebirgsflüsse, in: Siebenstern 1934, S. 88-90) schreibt, dass der Seehausbach erst um 1860 durch die Triebwerksbesitzer in Fichtelberg in den Fichtelsee umgeleitet wurde. Auch Seidel gibt keine Quelle an. Vermutlich bekam er die Auskunft in Fichtelberg/Neubau. (Ergänzende Literatur: DR. Heinrich Vollrath, Die Veränderungen des Gewässernetzes durch Bachumleitungen im Hohen Fichtelgebirge, in: Siebenstern 1976, S. 112-116).

Zur Umleitung des Seehausbaches durch die Seelohe in den Fichtelsee musste ein ziemlich langer künstlicher Bachlauf angelegt werden. Die Zinnseifner haben das sicher nicht getan. Ihnen ging es nur um die Ableitung der Seifentrübe in die Seelohe. Wahrscheinlich erfolgte die Umleitung des Seehausbaches in den Fichtelsee erst 1854 und man meißelte aus diesem Anlass die Jahreszahl 1854 in einen Stein am Wegübergang ein. Da derartigen Vorgängen in der Regel ein Schriftverkehr vorausging, könnte ein Einblick in die Akten des ehemaligen Bergamts Fichtelberg, die im Bayer. Staatsarchiv Amberg aufbewahrt werden, wahrscheinlich Klarheit über den tatsächlichen Zeitpunkt der Umleitung schaffen.

Anmerkung der Redaktion: An diesem Aufsatz von Rudolf Thiem sieht man, dass der Wald noch voller unentdeckter historischer Zeugen ist. Der aufmerksame Wanderer wird gebeten, solche "Entdeckungen" dem örtlich zuständigen Heimatforscher mitzuteilen oder die Redaktion "Der Siebenstern" zu informieren.

Hier am Weg vom Seehaus-Parkplatz an der B 303 zum FGV-Unterkunftshaus Seehaus (Hauptwanderweg "Mittelweg") überquert man den abgeleiteten Seehausbach. Rechts im Bild der im Bachbett aufgefundene Granitstein mit der eingemeißelten Jahreszahl 1854.

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