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Die Sage vom tiefen Brunnen an der Kösseine

Dietmar Herrmann

Rund um die Kösseine erzählt man sich verschiedene Sagen, wobei „Die Sage vom tiefen Brunnen“ auch heute noch immer die Runde macht. Hauptlehrer Hans Schuster aus Ebnath hat im Jahr 1947 diese Sage aufgeschrieben, der Wortlaut wird nachfolgend ungekürzt wiedergegeben:

 „Am Westabhang der Kösseine dehnen sich dunkle, duftige Fichtenwälder stundenweit aus. Ungefähr inmitten dieses Waldgewirrs liegt der tiefe Brunnen, ein heller Abfluss eines weiten Hochmoores. Dort liegen wüste Granitblöcke. Ein besonders großer überhangender Felsen heißt der „Edelmannsstein“, weil unter demselben in den harten Kriegsnöten der Hussitenzeit die Edelleute von Ebnath und Fahrenbach Schutz und Obdach fanden. Sie werden es auch wohl gewesen sein, welche ihre reichen Schätze um sie vor räuberischen Horden zu verbergen, in den tiefen Brunnen versenkten. Als es wieder ruhiger geworden war, wollten sie ihre Kostbarkeit

en wieder heben. Aber es war nicht möglich. Der Brunnen ist so tief, dass man mit einer Hopfenstange nicht auf den Grund kommt. Des Schatzes haben sich nun die Zwerglein angenommen. Den in Fässern wohlverpackten Schatz hüten sie sorgsam, spielen oft mit ihm, bringen ihn aus dem tiefen Wasser heraus und haben schon manch gierig Menschenkind damit genarrt und geäfft.
Nun war in Ebnath einer, der in den helllichten Tag hineinträumte von Wichtelmännlein und Goldschätzen und gern reich, recht reich gewesen wäre. Dieser hörte einmal nachts ein feines Stimmchen: „Steh auf, spann ein und fahr fort!“. Sofort erzählte er`s seinem Weib. Aber diese lachte ihn aus: „Geh, alter Träumer, möchtest wohl gern den Schatz heben!“. Als aber in der nächsten Nacht die Stimme wieder rief, ging er zum Nachbarn und erzählte das sonderbare Begebnis.

Der Nachbar war ein alter, in allen schwarzen Künsten, Hexenaustreiben, Schatzheben usw. wohlbewanderter Mann der meinte: “Leg dich heute Nacht ruhig nieder; wenn wieder jemand ruft, so steht auf, klopf an mein Fenster! Wir spannen alsdann ein und fahren in Gottes Namen. Aber keiner darf reden, nicht ein Sterbenswörtlein, sonst ist`s gefehlt!“. Das feine Stimmchen rief zum dritten Male. Schnell sprang der alte Färber aus dem Neste, weckte den Nachbarn, spannte die mageren Kühlein vor seinen alten Wagen. Da kam auch schon der Nachbar. Sie setzten sich auf den Wagen, keiner sagte ein Wörtlein, nicht muh und nicht mäh. Und die Kühe zogen an, fort ging`s in die dunkle Nacht hinein, grad dem tiefen Brunnen zu. Dort angekommen, hielten die Kühe von selber an. Und richtig! Da lagen zwei schöne Fässchen neben dem Brunnen. Diese waren aber schwer, so schwer, dass sie die Riegel vom Wagen nehmen mussten, um auf ihnen die Fässlein hinauf zu rollen. Ein schweres Stück Arbeit. Sie schnauften und schwitzten, aber es ging doch. Nur noch oben hineinheben mussten sie das erste Fass, also fest zugreifen. „Ho ruck“ rief in üblicher Gewohnheit der Eine.

Da entglitt das Fässlein ihren Händen, rollte hinunter, stieß an das zweite und alle beide fielen plumps hinein in das tiefe Wasser. Es war ihnen, als hörten sie noch ein helles, schadenfrohes Kichern. Betrübt und schimpfend fuhren sie wieder heim. Oftmals sind die beiden mit der Hacke in den Wald gegangen, ein dürres Bäumlein zu holen. Immer führte ihr Weg zum tiefen Brunnen. Oft meinten sie, sie müssten die Fässlein wieder sehen, aber immer vergebens!“ Soweit die Sage im Volksmund.

Einen Hinweis auf sagenhafte Schatz- und Goldvorkommen im südwestlichen Kösseinegebiet gibt uns Johann Christoph Pachelbel in seinem 1716 erschienenen Buch „Ausführliche Beschreibung des Fichtel-Berges in Nordgau liegend...“, wo er auch die Aufzeichnungen der alten Venediger wiedergibt. Pachelbel schreibt: „Frage ferner zu Ebnath nach dem Hundsbach, der bey Ebnath und bey Reichenbach herabfällt, der soll auch von der Cößein kommen. Nun liegt die Cößein zwischen Ebnath und Waldershof, wer den rechten Weg weiß, der kommet durch die Cößein, darunter wird der Ursprung des Hundsbaches nicht weit davon seyn. Von diesem Hundsbach wäre viel zu reden, welcher aus Nürnberg seinen Reichthum allda geholet, der zuvor arm war.

An diesem Hundsbach nun gehe hinauf, bis er entspringet, daselbst siehe dich umb nach einer Tannen, daran ein Zeichen, wie ein Buchstab oder eine Hand. Darunter ist ein Stollen oder Höhle mit einem großen Stein verdeckt, den thue auf, darinnen findest du einen gelben Gold-Gang und im Waschen gediegene Gold-Flammen....Dieser Hundsbach hat seinen Ursprung auf dem Pfälzischen. Aufgrund der Aufzeichnungen von Hauptlehrer Schuster und Pachelbel kann heute noch der Ort der sagenhaften Gold- und Schatzfunde lokalisiert werden. Dem geschätzten Leser dieser Zeilen wird nun das Geheimnis gelüftet!

Es handelt sich um ein ruhiges Waldgebiet, das sich da am Südabfall der Kösseine ausbreitet. Es sind dies u.a. die Waldungen der Forst Ebnath AG . Nur wenige markierte Wanderwege durchqueren es, Forstbetriebswege laden dennoch zu ausgedehnten Spaziergängen ein. Wir befinden uns hier bereits auf Oberpfälzer Gebiet, denn am Süd hang der Kösseine verläuft die Grenze zwischen den bayerischen Regierungsbezirken Oberfranken/Oberpfalz. Betrachtet man die topographische Karte oder unsere Wanderkarte, kann man feststellen, dass dem Südhang der Kösseine mehrere Wasseradern entrinnen. Im südwestlichen Bereich finden wir den Ochsenkopfbach, Hundslohbach (!) und Kösseinebach. Wenige hundert Meter nördlich von Unterschurbach vereinigen sie sich zum Höllbach. Dieser wiederum mündet nach munterem Lauf bei Riglasreuth in die Fichtelnaab.

Da wo der Hundslohbach entspringt befindet sich die Waldabteilung Hundslohe, jene Gegend, die 1716 schon von Pachelbel genannt wird und auch der Sage vom tiefen Brunnen zugeordnet werden kann. Auch der von Hauptlehrer Schuster genannte „Edelmannsstein“  ist noch vorhanden! Wir bezeichnen ihn heute als „Wackelstein“. Er ist ein riesiger Felsblock von etwa 1000 Zentnern Gewicht, liegt nur auf einer kleinen Grundfläche auf und lässt sich mit einem Holzriegel in gewaltige Schaukelbewegungen bringen, ohne dass er von seinem Sockel stürzt. Und um diesen „Wackelstein“ herum findet man die verborgenen Goldvorkommen und Schätze! Viel Glück beim Aufspüren derselben!


Nur etwa 1 km nördlich von Unterschurbach (Ortsteil der Stadt Waldershof) liegt im Hochwald der Wackelstein. Man erreicht ihn von Unterschurbach (auch von Schwarzenreuth) auf dem weiß-blau-weiß markierten Wanderweg. Die Anlage mit Bankgruppe wird von der FGV-Ortsgruppe Ebnath betreut.

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