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600 Jahre Warmensteinach

Von Dipl.-Ing.(FH) Harald Herrmann

Eine Urkunde aus dem Jahr 1402 gilt derzeit als die älteste schriftliche Erwähnung der Gegend um das heutige Warmensteinach. In dem Dokument verleiht Burggraf Johann III. zu Nürnberg ein „eysenberkwerk an der Zwiseln“ - mit Zwisel oder Zwissel wurde der Zusammenfluss der Kalten und der Warmen Steinach bezeichnet - an die beiden Bernecker Dürpecke und Köchel. Dass es sich dabei tatsächlich um die Zwisel bei Warmensteinach handelt, ist aus der Nennung eines „Herman-von Weydemberg“ in diesem Zusammenhang ersichtlich.

Es ist als wahrscheinlich anzusehen, dass die erste Besiedlung dieses Gebiets weit vor der urkundlichen Erwähnung der Zwisel im Jahr 1402 stattfand und im 8. Jahrhundert, in der Zeit der Gründung des bayerischen Nordgaus, angesiedelt werden muss. Für die damaligen Landesherren war die Gegend vor allem deshalb so interessant, weil hier drei Herrschaftsbereiche unmittelbar aneinander grenzten: die Bistümer Regensburg und Bamberg sowie der Einfluss der Stadt Eger im Osten. Die Gewässer wurden früher nicht nur wirtschaftlich genutzt, sondern dienten auch als Grenzen. An der Stelle, an der die „Kalte Steinach“, der heutige Moosbach, und die „Warme Steinach“, deren Quelle am Südhang des Ochsenkopfs liegt, zusammenfließen, entstand eine Siedlung mit dem Namen Kaltensteinach. Gegenüber dieser Gewässerzwissel, am Hang der evangelischen Kirche, wurde ein weiterer Teil des Ortes, nämlich Warmensteinach gegründet.

Der dritte Teil der damaligen Ortschaft, der heutige Ortsteil Oberwarmensteinach, ist über das Wagental besiedelt worden. Als Wagental bezeichnete man früher den Gebirgseinschnitt, der sich von der heutigen Brauerei Trassl zu der Stelle des ehemaligen Gasthauses Wagental zieht. Dies war der einzige, auch mit Fuhrwerken befahrbare Zugang Oberwarmensteinachs von der südlichen Seite her, denn der Weg, den die Staatsstraße heute nimmt, war durch die „Hölle“ am Höllfelsen, einem Sumpf- und Moorgebiet, unpassierbar. Diese Ortsteile, von denen Kaltensteinach vollends in Warmensteinach aufging, haben trotz ihrer geographischen Zusammengehörigkeit häufig unter der Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Herrschaftsgebieten gelitten.

Eines der drei Haupterwerbsgebiete der Bewohner von Warmensteinach und seiner Umgebung war früher die Holzflößerei. Etwa fünf Jahrhunderte lang ist auf der Steinach von Warmensteinach aus Holz nach Bayreuth geflößt worden. Die wohl älteste Nachricht über diesen Gewerbezweig des Steinachtals findet sich in „Hellers Chronik von Bayreuth“, in der die Flößerei auf der Steinach schon im Jahr 1430 erwähnt wird. Es heißt dort „samt der Flöß auf dem Vichtelberg“, wobei Vichtelberg die frühere Bezeichnung des Ochsenkopfs ist. Weiterhin wird die Flößerei in einem Lehensbrief  vom Jahr 1466 erwähnt. Wilhelm von Laineck gibt in diesem Dokument seine Einwilligung, dass „von Bayreuth eine Flöße von Weidenberg vorgenommen ist, wozu auch sein Fischwasser, die Steinach, gebraucht wird.“

An diese ehemals sehr lebhafte Flößerei erinnern heute nur noch spärliche Überbleibsel der Flößweiher in der näheren Umgebung von Warmensteinach. Kleine Talsperren, die jetzt vollkommen wasserlos sind und allmählich verschwinden, während sie früher sehr zur Belebung des Landschaftsbilds beitrugen. Der Kropfbachweiher und der Moosweiher sind total verlandet und kaum noch zu erkennen. Nur der Wurzbachweiher wurde seit etlichen Jahren wieder angestaut und fügt sich idyllisch in das romantische Tal des Wurzbachs ein. Das beliebte Moorbad im Warmensteinacher Ortsteil Fleckl hieß früher Neuer Weiher und diente ebenfalls der Flößerei. Durch die veränderten Bedingungen der modernen Zeit und vor allem durch den Bau der Bahnlinie von Bayreuth nach Warmensteinach in Jahr 1896 wurde die Flößerei auf der Steinach zu Beginn des 20. Jahrhunderts völlig eingestellt.

Ein weiterer ehemaliger Broterwerb war der Bergbau, der früher in der Gegend um Warmensteinach in intensivster Form betrieben worden ist. Im Mittelberg, in der Hellen Glocke, im Eisen- und im Dürrberg befanden sich ausgedehnte Bergwerke, im Ortsteil Grenzhammer glühte ein Hochofen und im ganzen Steinachtal dröhnten Eisen- und Waffenhämmer.

Das älteste, in den Schriften erwähnte Bergwerk der Warmensteinacher Gegend war das 1402 erwähnte an der Zwissel. Weiterhin wird berichtet, dass im Jahr 1412 zwei Bergleute „an der Zwissel und am Fußbach“ zwei Zechenhäuser und Schachthütten zum Betrieb eines Bergwerks bauten. Dies wurde dann als „Geyersberger Fleckl“ und später als „Fleckl“ bezeichnet. Die Urkunden erwähnen in dieser Gegend noch die Zechen  „Ober-Geyersberg“ und „Geyersberg“, die 1695 als Ausbeutewerke aufgeführt werden.

Am Mittelberg in Warmensteinach wurde, wie nahezu im gesamten Steinachtal, hauptsächlich Eisen abgebaut. Das „hölzerne und das steinerne Bergloch“ sind dort heute noch zu sehen. Vom ehemaligen Gasthaus Löchleinstal führt ein Stollen in den Stock der Hellen Glocke, die nach Aussage eines alten Bergarbeiters vollkommen unterhöhlt ist. Ebenso befindet sich im Eisenberg ein ausgedehntes Stollensystem, das 1549 vom Wagental aus angelegt und 1695 als Bergwerk „Schwartzbauer“ erwähnt wird.

Eng im Zusammenhang mit dem Bergbau standen die Hammer- und Drahtwerke, sowie die Hochöfen. Schon im 14. Jahrhundert entstanden eine ganze Reihe von Eisenhämmern, deren Bau an der Steinach durch die vorhandene ausgiebige Wasserkraft und dem Reichtum an Holz begünstigt wurde.

Heute erinnern nur noch Namen wie Neuwerk, Zainhammer, Waffenhammer, Grenzhammer usw. an das ehemalige Vorhandensein dieser Betriebe, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts auf Grund der veränderten Erwerbslage, häufig in Spiegelglasschleifereien umgewandelt wurden. Aber auch diese sind verschwunden und nur noch selten findet man Spuren dieses einst so einträglichen Warmensteinacher Erwerbszweiges.

Seit Jahrhunderten wird das Bild Warmensteinachs durch die Herstellung und Veredelung von Glas geprägt. Früher blühte hier die Perlen- und Knopffabrikation, der von fachkundigen Heimatforschern ein Alter von mehr als 600 Jahren zugesprochen wird. Die ersten Anfänge werden sogar in Verbindung mit den hier anwesenden Walen oder Welschen gebracht. Noch heute kennt man in Warmensteinach den Begriff „Patterle“. Dieses Wort stammt von Paternoster, den Eingangsworten des Vaterunsers, denn die Perlen, die hier hergestellt wurden fanden, auf Schnüre aufgereiht, unter anderem Verwendung als Rosenkränze, wie sie bei Katholiken gebräuchlich sind. Die Knöpfe und Perlen, die Ohren-, Hals- und Armgehänge, die in Warmensteinach hergestellt wurden, fanden in fernen Ländern wie in der Türkei und in Westindien so große Absatzmärkte, dass die heimischen Perlenmacher oft nicht in der Lage waren, den Bestellungen nachzukommen.

Der Anstoß für die Glasherstellung im Fichtelgebirge ist wohl das Vorhandensein des Urgrünsteins oder Proterobases gewesen. Der Proterobas bildete lange Zeit hindurch das Grundmaterial der Knopf- und Perlenherstellung in Warmensteinach. Produziert wurden Perlen in unterschiedlichsten Farben von der Größe einer Erbse bis hin zu Taubenei- ja Hühnereigröße. In früherer Zeit hatte die kleine Waldgemeinde Warmensteinach etwa 250 Perlenmacher beschäftigt und nahezu ebenso viele Heimarbeiterinnen fädelten die Paterlein auf Schnüre.

Die erste Kirche Warmensteinachs wurde von der damals lutherischen Gemeinde im Jahr 1573 erbaut. Sie stand in Oberwarmensteinach an der Stelle, an der sich heute der Friedhof befindet.

Bevor die „Staanicher“ ihren eigenen Pfarrer erhielten, wurde ihre Kirche von Kulmain, später von der Pfarrei Heidenaab-Göppmannsbühl aus versehen. Um die Bestellung eines eigenen Pfarrers kämpfte die Gemeinde 14 Jahre lang und erst als der Bau eines Pfarrhauses und die Besoldung des Pfarrers sichergestellt waren, kam der erste Geistliche nach Warmensteinach.

Infolge des dauernden Wechsels des Glaubens durch die Kurfürsten von der Pfalz von der lutherischen zur kalvinistischen Richtung und wieder zurück, kamen mit der Zeit unvermeidliche Spannungen zwischen den Warmensteinacher Ortsteilen auf. Wegen der mangelnden Betreuung der Gemeinde von Heidenaab aus, wendeten sich die Bewohner schon bald an das markgräfliche Bayreuth und seitens der Weidenberger Kirche wurde eine Betreuung von dort aus vorgeschlagen.

Mit der Schlacht am Weißen Berg verlor der Kurfürst von der Pfalz 1620 sein Land und der kurpfälzische Teil Warmensteinachs, das heutige Oberwarmensteinach, ging von da an in die Hände des katholischen Bayernherzogs über. Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die alte ehemals protestantische Kirche in Oberwarmensteinach wegen Baufälligkeit abgebrochen und in den Jahren 1755 bis 1757 die heutige katholische Kirche errichtet. Etwas früher, nämlich im Jahr 1705 baute man im markgräflichen Teil Warmensteinachs das Langhaus der evangelischen Kirche auf dem Dürrberg. Der Turm mit seinem Zwiebelhelm wurde wegen Geldknappheit erst im Jahr 1734 vollendet. Das Innere des Gotteshauses schmückt ein Kanzelaltar von einem Goldkronacher Altarbaumeister.

Da Warmensteinach zu dieser Zeit noch keine eigene Pfarrei besaß, musste die Gemeinde zunächst von Weidenberg aus betreut werden. Erst später wurde das heutige Pfarrhaus, das ursprünglich als Schulhaus erbaut wurde, Sitz der Pfarrei Warmensteinach.

Sind die Aufzeichnungen und geschichtlichen Daten aus dem früheren Warmensteinach auch rar, so folgte jedoch in jüngeren Jahren ein Ereignis dem anderen. Nachdem die einzige Verbindung von Weidenberg nach Warmensteinach zur damaligen Zeit, die alte Poststraße, den Anforderungen nicht mehr genügte, wurde 1872 bis 1876 die neue Talstraße entlang des Laufs der Steinach gebaut. In diese Zeit (1895) fällt auch der Beginn des Baus der Bahnlinie Bayreuth-Warmensteinach, die am 15. August 1896 in Betrieb genommen wurde. Es folgte 1907 bis 1909 der Bau der Bayreuther Wasserleitung, deren Brunnenstube, der „Wassersammler“, im Löchleinstal zu sehen ist. Der Bau der ortseigenen Wasserleitung und der Kanalisation sowie der Bau des Freibads schlossen sich an diese Jahre an. Einen vollkommen neuen Abschnitt erlebte Warmensteinach nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Viele Heimatvertriebene aus Gablonz und dem Sudetenland haben sich in der Fichtelgebirgsgemeinde sesshaft gemacht und ihre große Erfahrung im Umgang mit dem Glas hat ebenso wie der stark einsetzende Fremdenverkehr große Teile zum wirtschaftlichen Aufschwung der Gemeinde beigetragen. Die Fertigstellung des Rathauses 1963, der Sport- und Festhalle sowie des Hauses des Gastes 1971, und des Freizeithauses 1978, die Gebietsreform im Frühjahr 1978, die Einweihung des Kurparks in Warmensteinach sowie des Parks und der Sportanlage in Hintergeiersberg 1988, die Schulhauserweiterung 1996, der Anbau des Kindergartens 1998 und der Umzug des Rathauses in den sanierten historischen Bahnhof, stellen weitere Meilensteine in der jüngeren Geschichte des Luftkurorts dar.

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