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75 Jahre Unterkunftshaus Seehaus

Alfred Rauh

Das Seehaus wird heuer 75 Jahre alt. Es ist natürlich schon viel älter, das ehemalige "Zinnhäuschen", "Zinnhaus", "Zechenhaus". Aber dieses Jahr ist ein Dreivierteljahrhundert vergangen, seit das von Wanderern und Ausflüglern gerne besuchte Unterkunftshaus, das 922 m ü. NN am Nordwesthang des Seehügels zwischen Nußhardt und Platte auf einer großen Waldblöße mit Blick zum Ochsenkopf steht, von der FGV-Ortsgruppe Hof erbaut wurde. Das Jubiläum gibt Anlass, sich mit der bis ins 16. Jahrhundert zurückreichenden Entstehungsgeschichte des Hauses, die aufs engste mit der Geschichte der ehemaligen Zinnbergwerke in der Schneeberggruppe verbunden ist, zu befassen.

Bereits 1530, so schreibt Pfarrer Scherber in seinen "Materialien des Pfarrsprengels Bischofsgrün 1809", wurde auf dem Westabhang der Fahrenleite „Seehügel" angefangen, nach Zinnerz zu graben. Es kann somit angenommen werden, dass schon zu dieser Zeit für die Arbeiter der am Seehügel gelegenen Zinnwäsche eine Unterkunft, das "Zinnhäuschen"', wie es damals hieß, geschaffen wurde - das erste Seehaus. Besitzer der Zinnwäsche war eine Familie Waldenfels. Ihr folgte eine Wunsiedler Gesellschaft und 1601 machte dort ein Holzhauer namens Jakob Herrgott eine Zinnseife auf. Diesem wurde jedoch die Erlaubnis zum Betrieb wieder entzogen, da er wilderte und Wilddieben Unterschlupf gewährte. "Jener Jakob Herrgott, bei dem zweifelhafte Personen einkehrten, darf als einer der ersten "Seehauswirte" betrachtet werden, wenn auch mit ihm nicht viel Staat zu machen ist", wie Paul Held, Schriftleiter des "Siebenstern" in Heft 5/1956 des "Siebenstern" schreibt. 1762 errichtete man ein kleines, primitives hölzernes „Zechenhaus“, so ist im  "Wanderführer durch das Fichtelgebirge, VI. Ausgabe" zu lesen. Wegen Baufälligkeit wurde es 1803 abgerissen, jedoch schon im nächsten Jahr wieder neu erbaut. Am 21. Februar 1805 brannte dieses neue Haus ab, wobei die achtjährige Tochter des damaligen Bewohners Karl Unger ums Leben kam. Ein im gleichen Jahr errichtetes Haus wurde 1818 durch Gottlieb Reißmann, den "Seebüttner", wesentlich verbessert. 1839 wird erstmals das Zechenhaus als "Seehaus" bezeichnet; für die Namensgebung war sicher seine Lage oberhalb des Fichtelsees maßgebend. Weitere Bewohner waren 1841 Andreas Thiermann, dann Johann Reißmann bis 1881, anschließend bis 1904 Andreas Kugler und Forstwart Voit aus Klausenhaus bei Mehlmeisel bis 1908. Ihm folgten die Pächter Schindler, Heinrich Bedall und ab 25. März 1926 Waldwärter Georg Prell, der sechs Jahre lang (bis 30. September 1934) das 1928 errichtete neue Seehaus bewirtschaftete.

Der 1550 begonnene Bergbau ruhte zeitweise, obwohl das Zinn gut, die Ausbeute jedoch gering war. Auch nach dem 1. Weltkrieg wurde nochmals mit dem Zinnbergbau begonnen, der jedoch 1926, trotz technischer Verbesserungen (Industriegleis, kleine Lokomotive) wegen Unrentabilität ganz eingestellt wurde. Die damaligen Bewohner der Häuser waren Bergleute, später Forstbedienstete. Sie bewirteten vorbeikommende Wanderer mit Milch, Bier, Brot, Butter. Prominenteste Besucher in dieser Zeit waren Johann Wolfgang von Goethe, der mit seinem Kammerherrn Karl Ludwig Knebel und dem Botanicus Friedrich Gottlieb Dietrich am 1. Juli 1785 anlässlich einer geologischen Exkursion von Wunsiedel aus zum Seehaus kam. An seinen Aufenthalt erinnert eine von der OG Hof am 17. September 1978 aus Anlass der 50-Jahr-Feier am Seehaus angebrachte Granittafel. "Hoch zu Roß" kamen die Romantiker Ludwig Tieck und Wilhelm Wackenroder am 26. Mai 1793 zum Seehaus, als sie das Fichtelgebirge bereisten. Ganz hohen Besuch bekam das Seehaus fast 200 Jahre später, als Altbundespräsident Prof. Dr. Karl Carstens anlässlich des Europäischen Umweltjahres 1987/88 sich über die Waldschäden im Fichtelgebirge informierte und mit dem damaligen Präsidenten des Verbandes Deutscher Gebirgs- und Wandervereine Konrad Schubach am 26. September 1987 im Unterkunftshaus einkehrte.

Doch nun zum Neubau 1928. Eine vom kgl. Forstamt Fichtelberg dem FGV am 23. April 1916 gemachtes Angebot zur Pachtübernahme und Bewirtschaftung des Seehauses konnte wegen der damaligen Verhältnisse (es war Krieg)  nicht angenommen werden. Erst am 15. Oktober 1925 kam der FGV auf dieses Angebot zurück. Schon zu diesem Zeitpunkt machte sich der Hauptverein mit dem Gedanken vertraut, das Objekt unter die Obhut der OG Hof zu stellen, nachdem sich diese schon vorher für das Seehaus interessierte, "um für Hof einen Stützpunkt im Fichtelgebirge zu bekommen" (Zitat Ortsgruppenprotokoll). Auch der Verwaltungsausschuss des Hauptvereins stimmte in seiner Sitzung vom 20. März 1926 für eine Betreuung durch  die OG Hof.  Nun stellte sich jedoch heraus, dass der Forst inzwischen mit der Bergwerksgesellschaft "Wilhelmsglück" einen Pachtvertrag für die Zeit bis 30. Sept. 1929 abgeschlossen hatte. In Verhandlungen mit dieser Gesellschaft und mit Zustimmung der Regierung wurde dieser Vertrag zum 19. Januar 1926 aufgelöst. Der FGV sicherte sich nun sofort das Seehaus für seine Zwecke und bereits am 26. März 1926 konnte der Hauptverein mit dem Forstärar einen Pachtvertrag abschließen, in dem der Verein die Erlaubnis erhielt, im Seehaus einen einfachen Wirtschaftsbetrieb ohne Übernachtungsmöglichkeit zu betreiben; Pachtzeit sechs Jahre.

Da das Seehaus im damaligen Bereich der OG Fichtelberg stand, kam man auf die Idee einer gemeinsamen Verwaltung des alten Hauses durch die OG Fichtelberg und Hof mit einem Verwaltungsausschuss, zusammengesetzt entsprechend der Mitgliederstärke beider Ortsgruppen. Fichtelberg erstellte einen Vertragsentwurf hiefür, der von Hof in der vorgelegten Form nicht angenommen wurde. Nach erfolglosen Verhandlungen vom 25. Juni 1926 nahm Fichtelberg den Entwurf zurück und überließ der OG Hof (noch mit Obmann Heinz Will) die gesamte weitere Arbeit. Im 4. Quartal 1926 traten dann sowohl in der OG Hof als auch im Hauptverein personelle Änderungen ein: Aloys Birkl wurde am 12. November, nachdem Heinz Will am 17. Oktober das Amt des Hauptvorsitzenden übertragen worden war, zum Obmann gewählt. Er übte dieses Amt mit einer dreijährigen Unterbrechung (vom 18. März 1932 bis 15. März 1934 waren Max Zinnert und vom 15. März 1934 bis 21. März 1935 Bernhard Roas Vorsitzende der OG) bis Dezember 1951 aus.

1926 war geplant, das dem Zerfall nahestehende Gebäude zu retten, es instandzusetzen und zu einer bescheidenen Herberge auszubauen. Neue Vertragsbedingungen sollten ausgehandelt werden mit dem Ziel einer längeren Pachtzeit und der Gestattung von Übernachtungsmöglichkeiten. Man kam dann aber, sicher nach einer eingehenden Besichtigung des morschen Gebäudes, sehr schnell zu der Erkenntnis, besser "Nägel mit Köpfen" zu machen und ein neues Haus zu bauen. Es ist besonders des zielbewussten und aufopfernden Einsatzes zweier Männer zu danken, dass dann das Vorhaben zu einem Neubau in die Tat umgesetzt wurde: Aloys Birkl, für den Herzstück seines Siebensternlerlebens der Neubau des Seehauses war und Heinz Will, "den allezeit zu neuen Taten bereiten Hauptvorsitzenden", wie der "Hofer Anzeiger" nach der Einweihungsfeier schrieb. Beide Wanderfreunde und einige Getreue begannen mit Vorarbeiten für den geplanten Neubau: Eine "Baukommission" wurde gebildet, Planentwürfe der Architekten Stöhr, Albert und Reissinger begutachtet usw. Kernpunkt aller Vorarbeiten war die Finanzierung des Vorhabens.

Ein Finanzausschuss mit Stadtkämmerer Albrecht Weidner als Vorsitzenden nahm die Arbeit auf. Bis zum Baubeginn sollten jedoch noch Monate vergehen. Erst nach zweijähriger Verhandlungsarbeit konnte der FGV am 30. Mai 1928 mit der Regierung, Kammer der Forsten, einen neuen Vertrag abschließen. Nun ging es Schlag auf Schlag: Die OG beschloss, zur Aufbringung der Mittel (die Bausumme war auf 15000 Mark veranschlagt) verzinsliche Anteilscheine über 5, 10 und 20 Mark, die alljährlich nach einem Schuldentilgungsplan zu tilgen waren, zu vertreiben. Mitglieder der Obmannschaft mit Obmann Aloys Birkl an der Spitze machten sich auf, diese Anteilscheine "an den Mann" und "an die Frau" zu bringen - mit großem Erfolg. Man sprach in Hof mittlerweile von einem "Fichtelgebirklverein". Es sei vermerkt, dass die letzten Anteilscheine im Juni 1941 zur Auszahlung kamen; mit der Einlösung waren die Baukosten gedeckt.

Die Firma Josef Reichenberger, Fichtelberg erhielt im Mai Auftrag, den Neubau nach den Plänen des Architekten Hans Albert, Hof auszuführen. Schon in der Monatsversammlung der OG vom 8. Juni konnte berichtet werden, "dass das alte Seehaus bereits abgebrochen ist". Am 12. Juni führte bei der Grundsteinlegung der seit Jahrzehnten in München lebende Wanderfreund Dr. phil. Rudolf Birkl, Sohn des damaligen Obmanns, als zehnjähriger Bub die symbolischen drei Hammerschläge aus. Am 24. Juni fand die Hebefeier statt und schon am 16. September konnte Obmann Aloys Birkl das neue Seehaus dem Hauptverein und damit der Öffentlichkeit in einer Einweihungsfeier, zu der sich nahezu 1500 Besucher eingefunden hatten, übergeben. Die Baukosten betrugen (veranschlagt waren 15000 Mark) durch verschiedene Verbesserungen und kleinere Anschaffungen erhöht, insgesamt 21500 Mark. Hierzu leistete die OG Hof 16000 Mark, den Rest von 5500 Mark übernahm der Hauptverein.

Von 1928 bis zur Gegenwart wurden am Unterkunftshaus und im Außenbereich eine Unmenge Arbeiten ausgeführt, die aufzuzählen den Rahmen dieses Beitrages sprengen würde. Es können deshalb nur einige wesentliche Maßnahmen genannt werden, deren Ausführung für den Bauunterhalt, die Aufrechterhaltung des Wirtschaftsbetriebes und zum Teil auch der Erfüllung behördlicher Auflagen unumgänglich waren. Im Zeitraffer: 1933 Scheunenneubau mit Massenlager im Sommer nach Abriss der vom Grubenbetrieb stammenden Nebengebäude / 1934 Fassung einer zweiten Quelle zur Sicherung der Wasserversorgung / 1935 Installation einer Zentralheizungsanlage, Errichtung einer Brunnenanlage / 1937 Beschaffung und Einbau einer elektrischer Hauszentrale mit Dieselaggregat und Batterien / 1940 steht im Protokoll der Jahresversammlung vom 12. April: "Nach Kriegsende wolle man an einen Erweiterungsbau des Seehauses herangehen.

Geplant ist ein Umbau im Sinne einer Erzgebirgsbaude" / 1952 Anbau mit Schaffung von zwei neuen Zimmern, Erneuerung der Abortanlage / 1956 Anbau zur Erweiterung von Gast- und Nebenzimmer, Vergrößerung der Wirtschaftsküche um fast das Doppelte, Schaffung von fünf neuen Übernachtungsräumen im 1. Stock, Aufstellung einer vorschriftsmäßigen Schankanlage / 1964 Erneuerung der gesamten Stromversorgungsanlage, Errichtung eines Massivbaues mit Batterie- und Aggregatraum ("Eltwerk") / Verbesserung der Wasserversorgung durch Vertiefung und Vergrößerung des Brunnens am Höhenweg Richtung Nußhardt / 1967 Bau eines Jugendlagers über dem Bierkeller / 1969 Bau einer Kläranlage / Seit 1970 steht das Seehaus auf vereinseigenem Grund, der einschließlich größerem Umgriff dank der Tatkraft des am 18. Januar 2001 verstorbenen damaligen geschäftsführenden Vorsitzenden Ehrenmitglied Fritz Kreissig von der Staatsforstverwaltung erworben werden konnte / 1977 Beschaffung und Aufstellung eines Propangas-Wirtschaftsherdes nach Lieferung eines oberirdischen Flüssiggastanks / 1980 Einbau einer WC-Anlage in der Scheune / 1981 Beschaffung eines neuen Dieselmotors / 1985: Der vorhandene Teich wurde um ein Mehrfaches vergrößert und erfüllt dadurch die Funktion eines Feuerlöschteiches / 1988 Beschaffung einer zweiten Wasserdruckanlage / 1990 Sämtliche Übernachtungsräume werden mit neuen Betten ausgerüstet, Eindecken des Scheunendaches / 1995 Einbau von Flüssiggas-Außenwandheizöfen in acht Übernachtungsräumen, Einbau eines zweiten Flüssiggasbehälters / 1997 Vergrößerung der 3-Kammer-Ausfaulgrube um das Doppelte und Einbau einer Nachreinigungsstufe / 2001 Anbau mit Erneuerung der sanitären Anlagen in Erdgeschoss und ersten Stock. Mit diesem Anbau wurden die Voraussetzungen für das Umweltprojekt Seehaus geschaffen: Eine Zisterne liefert Wasser für Toilettenspülung, im Keller werden für eine geplante Photovoltaikanlage Batterien untergebracht und ein Blockheizkraftwerk installiert. Für das Jahr 2003 ist die Erneuerung der Verschindelung an der Vorderfront des Hauses vorgesehen. Nicht unerwähnt soll das von der OG alljährlich veranstaltete Sommerfest sein.

Dass das von Aloys Birkl vor 75 Jahren bei der Einweihung des neuen Seehauses gesprochene Losungswort "Liebe zur Heimat hat dich erbaut, Liebe zur Heimat möge dich erhalten" auch weiterhin bei allen Heimatfreunden erhalten bleiben möge, wünscht auch der Verfasser dieses Beitrages.

Quellen:
"Der Siebenstern", Vereinszeitschrift des FGV e.V. (ab 1921); Schmidt Gustav, Selb: Die Geschichte des FGV e.V., 1929; Protokollbücher der FGV-OG Hof (ab 1922); Zapf Ludwig, Hof: Fichtelgebirgs-Album, 1892
 

Seehaus-Pächter

 

Georg Prell

16. 09. 1928 - 30. 09. 1934

Fritz Bischoff 

01. 10. 1934 - 20. 11. 1945

Otto Mösch

01. 02. 1946 - zu seinem Ableben 1948

Mathilde Mösch

16. 06. 1948 - 31. 05. 1963 (unterstützt von Toni Eckert)

Siegfried Sebald

01. 06. 1963 - 30. 09. 1970

Heinrich Prell

01. 10. 1970 - 31. 05. 1972

Paul Ernstberger

01. 06. 1972 - 31. 05. 1973

Gustav Neumann 

01. 06. 1973 – 10 .07. 1979

Erich Deutzer 

11. 07. 1979 - 01. 06. 1982

Josef Küfner 

02. 06. 1982 - 30. 04. 1984

Helmut Feist

01. 05. 1984 - 31. 10. 1988

Manfred Hautmann 

01. 11. 1988 - 30. 09. 1991

Helmut Feist

01. 10. 1991 - 31. 03. 2001

Daniela Hautmann

01. 04. 2001- 15. 02. 2005

Michael Benker

26. 02. 2005 -  30. 09. 2009

Monika Steiner und Berthold Hübner

01. 10. 2009 -

 

 

Hüttenwarte

 

Bis zur Jahresversammlung 1932 der OG Hof fungierte eine aus bis zu sechs Personen bestehende „Hüttenkommission".

Bernhard Roas 

18. 03. 1932 - 16.03.1934

Johann Renz

16. 03. 1934 - 22. 03. 1935

Bernhard Will

22. 03. 1935 - Nov. 1939

Robert Ott

08. 12. 1939 - April 1954

Ernst Schödel

April 1954 - 22. 09. 1956 (stv. Thomas Nagengast)

Richard Fischer

ab 23.09.1956 - noch

 

Altes Seehaus, abgebrochen Mai 1928


Neues Seehaus, erbaut 1928

Anschrift des Verfassers: Alfred Rauh, Oberkotzauer Straße 85, 95032 Hof/SAale

Seehaus-Umweltprojekt

In den Jahren 2005/2006 wurde von Fachleuten fleißig auf dem Seehaus geplant und gewerkelt, um das Haus auf den modernen Stand der Wärme- und Energietechnik zu bringen. Folgende Maßnahmen wurden durchgeführt:

  • Im Außenbereich Tank für 10.000 Liter Diesel-Rapsöl eingebaut.
  • Umweltfreundliche Stromerzeugung durch ein Blockheizkraftwerk, das im Keller eingebaut ist.
  • Nutzung der Abgas- und Kühlwärme des Heizwerks für die Beheizung des Hauses.
  • Dezente Photovoltaikanlage auf dem Dach zur Stromerzeugung.
  • Innenräume: Wärmedämmerung der Außenwände. – Einher ging (zwangsläufig) eine Renovierung im Wirtschafts- und Übernachtungstrakt, sodass das Unterkunftshaus einen freundlichen Eindruck vermittelt.

 

Ganzheitliches Umweltprojekt Seehaus
Umwelttechnisch, umweltpädagogisch, umweltökonomisch
Einweihung am 23. Mai 2006
(FGV-Hauptvorsitzender Dr. Helmut Reinel)

Am Seehaus befindet sich eine Tafel, die an den Besuch Goethes am 1. Juli 1785 erinnert, an seine erste große Wanderung von Wunsiedel zum Ochsenkopf. Gegen 9.00 Uhr vormittags, heißt es in seinem Tagebuch, Rast und Einkehr im alten Zechenhaus, dem heutigen Seehaus, damals eine einfache Unterkunft für Bergleute, die hier nach Zinn gruben. Zur Erinnerung an Goethe als Naturforscher, der sich bei dieser Exkursion vor allem mit Geologie und Botanik, aber auch mit  Meteorologie (Physik der Atmosphäre) befasst hat, sei daher ein Zitat an den Anfang gestellt.
„Willst im Unendlichen Dich finden,
musst unterscheiden und dann verbinden“
(aus einem Gedicht Goethes über die  „Atmosphäre“)
Entdeckt habe ich diesen Satz jedoch nicht in einem Gedichtband, sondern  in einem wissenschaftlichen Handbuch der synoptischen Klimatologie (vor 50 Jahren), in dem  festgestellt wurde, dass die Klimaforschung zu lange nur die Elemente des Klimas untersucht habe, ohne die komplexe Verbindung des ganzheitlichen synoptischen Begriffs „Wetter und Klima“. Das Wechselspiel von Analyse und Synthese, die Verknüpfung der Elemente zu einem sinnvollen Ganzen, eindringende Spezialforschung mit Tiefgang und überschauende Ganzheitsbetrachtung sind Grundprinzipien der naturwissenschaftlichen Forschung. Das ganzheitliche Umweltprojekt Seehaus ist letztlich ein kleiner wissenschaftlich fundierter, praxisbezogener Beitrag zum Klimaschutz, zum Schutz der Erdatmosphäre; schließlich werden ab heute bei der Stromerzeugung nicht mehr   55 t CO2/Jahr aus fossilen Ergieträgern in die Luft geblasen, sondern nur noch 20 t/ Jahr, also 65 % weniger. Hinzu kommt insgesamt eine beachtliche Energieeinsparung.
Unterscheiden und verbinden! Analyse und Synthese!
Betrachten wir zunächst analytisch die Elemente:

  • 1997 wurde die Dreikammerkläranlage mit mechanischer und biologischer Nachklärung auf das doppelte erweitert. Das Abwasser wird mit einer der modernsten Kläranlagen so gut gereinigt, dass selbst eine in unmittelbarer Nähe gelegene Heilquelle nicht beeinträchtigt wird. Die Abwasserentsorgung ist optimal.
  • Das  Wasser kommt aus einer nahe gelegenen Quelle. Die Wasserversorgung ist also gesichert, selbst in trockenen Sommern. Das Wasser aus dem Seehausbrunnen „ist sehr vortrefflich und schmackhaft“, erfahren wir aus Goethes Tagebuch.
  • Im Jahre 2001 (rechtzeitig zum Deutschen Wandertag) haben wir mit einem Anbau die sanitären Verhältnisse für die Besucher des Seehauses grundlegend verbessert. Auf eine Probebohrung wurde verzichtet. Wir befinden uns hier nicht auf einem harten Granitstock, sondern im tiefgründig verwitterten Grenzbereich von Granit und Gneis. Dies ermöglichte einen zügigen Baufortschritt. Unser Hüttenwart Franz Fischer machte während der Bauzeit den Vorschlag für eine zunächst nicht geplante Vollunterkellerung des Anbaus, um später hier die Anlagen für die Stromversorgung (Leitungen und Batterien) unterzubringen.
  • Dann ließ unser Baureferent Albert Jobst im Kellerboden noch tiefer graben  und Betonringe  einbringen, in denen sich das Sickerwasser sammeln konnte. So ist eine Zisterne für die Toilettenspülung entstanden.
  • Bei der Vorsitzendentagung des FGV am 6.4.2002 wurde einstimmig beschlossen, dass der FGV die Energieversorgung des Seehauses umrüstet und vorrangig unter Umweltgesichtspunkten optimiert. Umweltgerecht war schon die Heizung des Gastzimmers mit dem Kachelofen, der 72 Ster/Jahr Holz verbraucht, also durch Photosynthese gespeicherte Sonnenenergie (seit der Zeit, als das Seehaus gebaut wurde). Der Kachelofen kann jedoch nicht den Gastraum gleichmäßig mit Wärme versorgen. Im hinteren Bereich kann es ungemütlich werden (Wärmebrücken mit Schimmelbildung hinter der Heizkörperverkleidung!)
  • Dann dachte man zunächst nur an eine große Photovoltaikanlage, also an die direkte Nutzung der Sonnenenergie. Aber einer solchen Anlage waren Grenzen gesetzt. Es stehen nur wenige dafür geeignete Dachflächen zur Verfügung. Der bekannte Werbespruch „Der liebe Gott zahlt die Zinsen für die Photovoltaikanlage auf dem Gotteshaus“ ist nicht zutreffend, da keine Einspeisung in das Netz besteht. Auf der Wiese hinter dem Seehaus lässt sich kein Solarpark anlegen wie auf Industriebrachen oder alten Truppenübungsplätzen. Die Photovoltaikanlage hat fast nur Demonstrationscharakter (ca. 1.800 kWh, nicht einmal ein Zehntel des gesamten elektrischen Energiebedarfs).
  • Auch die Nutzung der Windenergie auf einer Rodungsinsel in fast 1.000 m Höhe kam nicht in Betracht (aus ökologischen Gründen und wegen der optischen und akustischen Beeinträchtigung). Aus Kostengründen haben wir selbst auf eine Kleinanlage für Demonstrationszwecke verzichtet.
  • Auch die solare Brauchwassererwärmung kam nicht in Betracht: im Winter ist die Strahlungsintensität gering und im Sommer steht genügend Abwärme zur Verfügung, wenn als Kernstückein Blockheizkraftwerk nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung installiert wird, wie es sich seit etlichen Jahren im dezentralen Bereich der Stromversorgung bewährt hat, betrieben mit Pflanzenöl, letztlich mit Sonnenenergie, die vor einem viertel oder halben Jahr auf den Feldern gespeichert wurde. „Sonne am Seehaus“ haben wir unser Projekt genannt.
  • Für die weitere Optimierung zur Energieeinsparung wurde die Wärmedämmung verbessert, ebenso die Energieverteilung mit Wärmerückgewinnung im gesamten Haus. Weitere Maßnahmen waren: ein Erdtank für das Pflanzenöl; der Kellerboden im Altbau musste vertieft werden, um die Technik unterzubringen. Notwendig war außerdem eine Außentüre zum Keller.

Vorbei ist die Zeit, in der mit einem aufwändigen wartungsintensiven Dieselaggregat pro Jahr 12.000 l Dieselöl bei einem Nutzungsgrad von nur
18 % verbraucht wurden (keine Wassergefährdung mehr beim Transport und der Lagerung von Mineralöl, keine aufwändige Wartung der Anlage). Es werden nicht mehr 55 t Kohlendioxid aus fossilen Energieträgern in die Luft geblasen; der CO2 Ausstoß wurde auf 65 % reduziert.

Genau das alles wollen wir auf dem Seehaus ganzheitlich synoptisch demonstrieren mit den einzelnen Elementen. Das Seehaus wird ganzjährig von 28.000 Tagesgästen und 1.500 Übernachtungsgästen/Jahr besucht. Es liegt im Schnittpunkt bedeutender Hauptwanderwege. Im Vergleich zu ortsfernen, nicht ständig geöffneten alpinen Berghütten mit ähnlichen umwelttechnischen Anlagen ist das ortsnah gelegene Seehaus als Lernort für die Umweltpädagogik und Umweltkommunikation mit unterschiedlichen Zielgruppen bestens geeignet. Als Infostelle des Naturparkes Fichtelgebirge mit den Themenfeldern „Energie, Klima, Nachhaltigkeit, Agenda 21“ kann es sich entsprechend weiter entwickeln. Eine große Schautafel im Erdgeschoss ist für die Allgemeinheit bestimmt; die umwelttechnische Darstellung für Fachleute befindet sich im Keller. Die Umweltkommunikation vor Ort kann aufzeigen, dass wir an alle Möglichkeiten alternativer Energien gedacht, aber nur jene realisiert haben, die in einer ökologisch sensiblen Insellage auch sinnvoll und wirtschaftlich vertretbar sind.

Und damit komme ich zum 3. Aspekt, zur Umweltökonomie. Die  Investitionskosten (insg. 330.000 €) sind in dem Flyer zusammengestellt. Wenn man ganzheitlich die Kosten für die Kläranlage, die neue Wasserleitung und den Sanitäranbau (200.000 €), in dem die Technik untergebracht ist, hinzurechnet, kommt man auf das Doppelte; ca. 6 – 700.000 €. Trotz hoher Zuschüsse von 50 – 60 % eine erhebliche finanzielle Belastung für den FGV. Und wie steht es mit den Betriebskosten, die wir exakt erst nach einem Jahr beziffern können? Eine Grobschätzung ist heute schon möglich: Bisher 1.000 Liter Mineralöl im Monat allein für die Stromerzeugung, nunmehr 1.000 Liter Rapsöl für Strom und Wärme aus heimischer Produktion, womit wir auch einen kleinen Beitrag leisten können für die Sicherung landwirtschaftlicher Existenzen in einer strukturschwachen Region.

Nach dieser kurzen Rückschau zur Entwicklung des ganzheitlichen Umweltprojektes Seehaus in den letzten Jahren, ausgehend von den einzelnen Bauelementen - „Musst Du trennen und verbinden“ (nach Goethe) oder wie es schon Aristoteles zum Ausdruck brachte: „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ – werden Prof. Dr. Markus Brautsch von der FHS Amberg/Weiden und unser Baureferent Albert Jobst die umwelttechnischen Maßnahmen im einzelnen erläutern.

 


Fotos: Klaus Bauer

Hohe Ehrung

 

 

Richard Fischer ist 50 Jahre Hüttenwart des Seehauses, in dieser Zeit erlebte er 13 Pächter. Er ist für die Wartung der anfälligen Dieselaggregatanlage zuständig: Batteriewasser, Ausbau vom Keller, Malerarbeiten, Betreuung Abwasseranlage, gleichzeitig versieht er den Bergwachtdienst. Geehrt wurde Richard Fischer mit einer Urkunde und einem Geschenk
Sein Sohn Franz Fischer ist der Fachmann für Elektroanlagen, Messung des Stromverbrauches als Planungsgrundlage, Beschaffung und Einbringung von Batterien und hat an vielen Tagen seines Urlaubs für den Verein und das Seehaus gearbeitet. Er bekam von Dr. Reinel die höchste Auszeichnung, den Goldenen Siebenstern.

 

Bayern-Fichtelgebirge