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Atmosphärenforschung am Waldstein
Oskar Kohler, Bayreuth

Viele werden sich schon gefragt haben, was mit den verschiedenen Messanlagen am Waldstein bezweckt wird. Es handelt sich um Versuchsflächen (in fast 800 m Höhe im Fichtenwald) der Universität Bayreuth. Untersucht werden dort gasförmige und feste Bestandteile der Luft und deren Transport, deren chemische Reaktionen und deren Eintrag in das ökologische System Wald.

Im Heft 1 / 02 des "Spektrum" (herausgegeben von der Universität Bayreuth) wird über Fragestellungen und Einzelheiten der dort betriebenen Forschungen berichtet. Nachstehende Ausführungen stützen sich auf diese Veröffentlichungen (Quellenangaben am Schluß).

Luft (= Atmosphäre) bestimmt unser Leben in jeder Hinsicht. Um sie zu schützen, werden unterschiedlichste Regelungen getroffen. Diese Vorgaben stützen sich natürlich auf wissenschaftliche Kenntnisse. Aber unser Wissen über Entstehung, Zusammensetzung und Chemie der umweltrelevanten Verbindungen in der Luft ist immer noch lückenhaft.

Es handelt sich um vielschichtige, offene Fragen. Diese kann eine Arbeitsgruppe allein nicht beantworten. Deshalb haben sich Atmosphärenforscher, Botaniker und Chemiker vieler Universitäten und Institute zur Atmosphärenforschung  zusammengefunden. Auf den Versuchsflächen des "Bayreuther Instituts für Terrestrische Ökosystemforschung" (BITÖK) am Waldstein wollen Forschergruppen aus Deutschland und Österreich mehr Klarheit in das Dunkel der atmosphärischen Vorgänge bringen. Herzstück der Freilandforschung ist der 30 m hohe Meßturm.

Von einigen Forschungsvorhaben soll nun die Rede sein.

Nebelforschung

Als "Nebel" gilt eine am Boden aufliegende Wolke mit Sichtweite unter 1.000 m. Er ist Quelle für Feuchtigkeit, Schad- und Nährstoffe. Sein Einfluß auf die nebelreichen Hochlagen unserer Mittelgebirge ist noch wenig bekannt.
Zunächst wurde Nebel nur als Quelle von Wasser gesehen. Jetzt untersucht man Nebel auch auf schädliche Inhaltsstoffe (solche werden als Beitrag zu den Waldschäden vermutet).
Nebeltröpfchen verhalten sich wegen ihrer geringen Größe anders als Regentropfen. Sie fallen nicht direkt auf die Erdoberfläche; sie werden in der Luft in Schwebe gehalten und vom Wind verfrachtet. Pflanzen mit großen Oberflächen (z.B. Fichten) können diese Tröpfchen aber aus der Luft auskämmen und so dem Ökosystem zuführen.

Am Waldstein gibt es jährlich 160 bis 220 Tage mit Nebel (den meisten Nebel gibt es im November, den wenigsten im Juni). Zum Vergleich: Bayreuth verzeichnet im Mittel 40 Nebeltage, dies entspricht dem mitteleuropäischen Durchschnitt.

Nebelwasser ist viel höher mit Schad- und Nährstoffen belastet als Regen. Gelöste Hauptbestandteile im Nebel sind Ammonium, Nitrat und Sulfat (zusammen etwa 86 % der Ionensumme). Die Konzentration dieser Ionen ist im Nebel 17 bis 24 mal höher als im Regen!

Bei Messungen in einem gewissen Zeitraum des Jahres 2000 standen einer Regenmenge von 430 mm ein Nebeleintrag von 20 mm (also rd. 5 % des Regens) gegenüber. Wegen der deutlich höheren Ionenkonzentration im Nebel ergibt sich aber ein in etwa gleich großer Ioneneintrag durch Nebel wie durch Regen.

Wie die ökologische Relevanz dieses konzentrierten Stoffeintrages ist und wie die Pflanzen hierauf reagieren, ist einer der Aspekte der Nebelforschung.

Flüchtige Kohlenwasserstoffe (V O C's genannt)

Jeder, der im Hochsommer im Wald spazieren geht kennt solche flüchtigen chemisch reaktiven Kohlenwasserstoffe: der typische Nadelgeruch ist nichts anderes als eine Mischung dieser Verbindungen. VOC's  sind wichtige Vorläufersubstanzen von chemischen Verbindungen, welche die Konzentration und Verteilung umweltrelevanter Spurengase bestimmen. Sie tragen zur Bildung vom Photooxydantien (z.B. Ozon) bei. Auch sind sie an der Bildung winziger Partikel in der Atmosphäre beteiligt, die sich auf den Strahlungshaushalt der Erde und damit auf das Klima auswirken.

Neben der natürlich entstehenden VOC's werden auch durch menschliches Handeln solche Verbindungen erzeugt (z.B. Verkehr). Das Verhältnis zwischen biogenen (=natürlichen) und anthropogenen (= vom Menschen verursachte) VOC's kann sich je nach Region und Jahreszeit radikal ändern. So sind in Deutschland die anthropogenen Emissionen im Jahresdurchschnitt höher als die naturbedingten. Aber auch hier können bei Hochdruckwetter im Sommer die natürlichen VOC's doppelt so hoch sein wie die anthropogenen.

Es gibt hier noch große Wissensdefizite bezüglich Art, Synthese, Menge, Transport und Chemie der VOC's - vor allem der biogenen - in der Atmosphäre wie auch in den Pflanzen. Die natürlichen VOC's sind also ein Gebiet, auf dem noch weitreichende Forschung notwendig ist. Grundlagen hierzu werden am Waldstein erhoben.

Partikelforschung

Partikel, also kleinste feste Stoffe, beeinflussen unser Klima direkt durch Streuung und Reflexion der einfallenden Strahlung. Zum anderen haben sie Einfluß auf die Größenverteilung der Wassertropfen in Wolken und damit auf deren optische Eigenschaften. Eine helle Wolke (=viele kleine Tröpfchen) reflektiert mehr Strahlung als eine dunkle (=große Tropfen).
Im Sommer sind am Waldstein ungefähr vier Millionen Partikel in einem Liter Luft. Diese sind ganz unterschiedlich zusammengesetzt und zwischen drei Nanometern und Mikrometern groß (Größenunterschiede wie zwischen einem Sandkorn und einem Heißluftballon).

Zur Entstehung und Chemie der Partikel sind noch viele Fragen offen. Freilandmessungen im Fichtenbestand am Waldstein sollen zu weiteren Erkenntnissen führen.

Stoffflüsse zwischen Atmosphäre und fester Unterlage.

Diese haben maßgeblicher Bedeutung zur Verständnis des Ökosystems, aber auch für das Klima. Die Transportwege in der Atmosphäre sind nicht einheitlich und zusätzlich durch chemische Reaktionen modifiziert.

Bei "Stofftransport" muß man immer von Kreisläufen ausgehen. Die einfachste Form ist die Emission (Gase, Partikel) von der Unterlage, ihr Transport in der Atmosphäre und die anschließende Deposition (Ablagerung). Vor allem unsere Kenntnisse zur Deposition sind noch lückenhaft.

Wir unterscheiden eine nasse, eine trockene und eine feuchte Ablagerung. Ein guter Überblick besteht zur nassen Deposition (Regen). Weitgehend unbekannt ist aber die feuchte Ablagerung (Nebel, Tau). Der weitaus komplizierteste Transportweg ist jedoch die trockene Deposition (abhängig von Windgeschwindigkeit, Schichtung der Atmosphäre usw.) So haben sich Emissionen aus englischen Industriegebieten in Skandinavien niedergeschlagen und solche aus dem Rhein-Main- und aus dem Ruhrgebiet fanden sich im Fichtelgebirge.

Die Universität Bayreuth hat sich sehr intensiv um die Erfassung der trockenen Deposition bemüht.

Ozon-Deposition

Das Spurengas Ozon ist ein heißes Thema der öffentlichen Diskussion. Gelegentlich werden Schwellenwerte überschritten, die als "schädlich" für die Gesundheit des Menschen eingestuft sind.
Ozon kann auch die Vegetation schädigen. Doch sind seine Auswirkungen auf komplexe Ökosysteme wegen der vielfältigen Wirkungsmechanismen und Rückkopplungen mit anderen Spurengasen nur schwer qualifizierbar.

Untersucht werden am Waldstein Fragen wie:
-       Führen hohe Ozon-Konzentrationen zwangsläufig zu einer Deposition zur Vegetation hin?
-       Wird das deponierte Ozon von den Pflanzen (über ihre Spaltöffnungen) aufgenommen?

Als erstes Ergebnis ergab sich, dass höhere Ozon-Konzentrationen in der Luft nicht notwendigerweise zu höheren Depositionsflüssen führen.

Fichten als Filter für Spurenstoffe

Ein Forschungsprojekt am Waldstein untersucht den Einfluss von Fichtenwäldern auf das Depositionsverhalten von anthropogenen, organischen Spurenstoffen. Dies ist bisher nur wenig erforscht. Bekannt ist, dass solche Substanzen durch Nadelbäume aus der Luft gefiltert und im Waldboden angereichert werden können.

Untersucht werden vor allem zwei Stoffgruppen:

Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAC) und Phthalsäureester. PAC's entstehen bei allen Verbrennungsvorgängen.  Phthalsäureester zählen zu den am weitesten verbreiteten Industriechemikalien - erstmals um 1900 industriell hergestellt, werden heute weltweit einige Millionen Tonnen im Jahr hergestellt (hauptsächlich als Weichmacher in Kunststoffen) -. Sehr effektiv hat sich im Fichtenwald die trockene Deposition aus der Gasphase gezeigt. Für einige organische Spurenstoffe erwiesen sich die Fichten dabei als regelrechte Magneten.

Verglichen mit einer baumlosen Fläche kann so die zehnfache Menge an Schadstoffen der Atmosphäre entzogen werden, aber auch den Erdboden erreichen. Der Wald wirkt also als effektiver Filter für Spurenstoffe.

Z u s a m m e n f a s s u n g:

Atmosphärenforschung ist vielschichtig und fächerübergreifend. Unser Kenntnisstand über die Zusammenhänge Emission - Lufttransport - chemische Reaktionen - Deposition sind noch sehr lückenhaft.
Die Untersuchung in der Forschungsstation der Universität Bayreuth am Waldstein sollen dazu beitragen, unsere diesbezüglichen Kenntnisse zu erweitern.

Quellenangabe

Spektrum (Zeitschrift der Universität Bayreuth) Nr. 1/2001

hieraus folgende Beiträge:

-       Brauner Monika: Atmosphärenfoschung am Waldstein
-       Foken Thomas: Depositions- und Emissionsflüsse zwischen der Atmosphäre und der Erdoberfläche.
-       Foken Thomas / Rebmann Corinna: Kohlenstoffflüsse in Waldökosystemen des Fichtelgebirges
-       Klemm Otto: Ozon - Deposition im Wald; Benötigen wir eine Neubewertung?
-       Streck Georg: Fichten als Filter anthropogener, organischer Spurenstoffe.
-       Wrzesinsky Thomas: Nebelforschung im Fichtelgebirge

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