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Altes Ochsenkopf-Wahrzeichen gefunden
Von Rudolf Thiem

In den "Umsichten auf dem Ochsenkopf", geschrieben 1811 von dem Bischofsgrüner Pfarrer Johann Heinrich Scherber, ist bei der Beschreibung des oberen Teils des Weges von Bischofsgrün zum Ochsenkopfgipfel folgendes zu lesen: "Eine geringe Strecke aufwärts mag man sich umsehen nach einem kleinen Denkmale der Vorzeit. Eine leicht bearbeitete Granitsäule von sechs Fuß Länge, ehehin vermutlich aufgerichtet, liegt umgefallen am Wege. Auf der Vorderseite erblickt man die Figur eines Ochsenkopfes, kenntlich genug eingemeißelt. Auf dem Scheitel sind die Buchstaben R.H.M. drei Zoll groß eingegraben."

Der Heimatkundler Max Braun aus Fichtelberg suchte diese Säule und fand sie Ende September 2003. Sie lag - und steht jetzt wieder - rechts am Wanderweg von Bischofsgrün her kurz vor dem Steilanstieg zum Bergloch am Ochsenkopfgipfel. Max Braun stellte mit Unterstützung eines Helfers und im Einvernehmen mit der zuständigen Staatsforstverwaltung Fichtelberg die viele Zentner schwere Steinsäule am 1. Oktober 2003 in einer am Tag vorher ausgehobenen Vertiefung auf und verkeilte und verfüllte sie standsicher. Auf der nach Südosten gerichteten oberen Vorderseite ist nicht tief, aber doch erkennbar, die stilisierte Figur eines Ochsenkopfes ein-gemeißelt, wovon allerdings rechts ein Teil fehlt, weil sich dort verwitterungsbedingt ein Stück Stein abschälte. Auf dem Scheitel der Säule sind die Buchstaben R.H.W. eingemeißelt, was wahrscheinlich später erfolgte, weil sie weniger ausgewittert und deutlicher erkennbar sind als die Ochsenkopf-Figur. Wie vorstehend ausgeführt, gibt Scherber als rechten Buchstaben ein M an. Tatsächlich aber ist ein W eingemeißelt. Es handelt sich dabei offensichtlich um einen Lese-, Übertragungs- oder Druckfehler. Auch das auf der Nordostseite des Sockels eingemeißelte Zeichen (s. Bild), dessen Bedeutung unklar ist, stammt vermutlich aus späterer Zeit. Die Buchstaben malte Max Braun der besseren Sichtbarkeit halber am 30. September 2003 mit schwarzer Farbe aus. Die Ochsenkopf-Figur und das geheimnisvolle Zeichen am Sockel malte er am 4. Oktober 2003 im Beisein des Verfassers bei Regen und Nebeltreiben aus. Vorher hat er im Schutz eines an der Säule befestigten Regenschirms die auszumalenden Stellen mit einer Lötlampe getrocknet, damit die Farbe nicht gleich wieder abgeht.

Zum bekannten Ochsenkopf-Wahrzeichen auf dem Gipfel des Berges schreibt Johann Heinrich Scherber in seinen Umsichten auf dem Ochsenkopf: "Wir sehen uns nach einigen anderen Merkwürdigkeiten der Ochsenkopfspitze um. Dahin gehört vorerst jenes alte Zeichen, welches in einen Stein eingehauen gefunden und für ein Sinnbild von dem Namen des Berges gehalten wird. Der Stein selbst, etwa zwei Fuß hoch und drei bis vier Fuß breit, bildet den äußersten Punkt der Bergspitze gegen den Aufgang der Sonne (Osten). Das ursprüngliche Zeichen ist nicht mehr zu sehen. Dasselbe bestand aus drei, einfach zusammengesetzten Linien, womit der dreieckige Rand des Steines kunstlos umgeben war. Dafür ist gegenwärtig ein künstlich eingehauener Ochsenkopf mit Hörnern, Ohren und allen seinen Abzeichen zu sehen. Diese Abänderung ist erst seit etwa acht Jahren von unbekannter Hand angebracht worden; doch blieben einige Buchstaben aus früheren Zeiten unversehrt. Oben an der Seite stehen I.G.W. Unten erblickt man ein mit Landkartenflechten (Lichen geographicus) vergoldetes R." Soweit die Ausführungen Scherbers. In einer Zeichnung in einem Bericht von einer mehrtägigen Wanderung Nürnberger Lehrer durch das Fichtelgebirge 1823 ist das Ochsenkopf-Wahrzeichen verkehrt auf dem Kopf liegend abgebildet. Auch in einer späteren Fotografie, die wahrscheinlich zwischen 1914 und 1921 aufgenommen wurde, liegt es noch auf dem Kopf. Max Braun hat dafür folgende plausible Erklärung: Der Felsteil auf dem das Wahrzeichen eingehauen ist, brach von dem rechts daneben liegenden großen Felsen ab, kam beim Herunterfallen auf dem Kopf zu liegen und wurde später in die jetzige richtige Lage umgedreht.

Der Hofer Rektor J.Th.B. Helfrecht erwähnt in seiner 1799 erschienenen Beschreibung des Fichtelgebirges die Steinsäule mit der Ochsenkopf-Figur nicht. Er schreibt: "An dem ganz oben liegenden Felsen, welchen man den obern oder vordern Ochsenkopf nennet, ist die Figur eingegraben, die einem Ochsenkopf ähnlich sein soll." Gemeint sind damit wahrscheinlich die von Scherber erwähnten einfach zusammengesetzten Linien. Helfrecht schreibt weiter: "Der untere oder hintere Ochsenkopf liegt ungefähr 80 Schritte von jenem entfernt gegen Südwest. Auch an diesem Stein soll auf seiner Morgenseite ein Ochsenkopf, wie man glaubt von den Wahlen, eingehauen sein." Dieser hintere Ochsenkopf (von Bischofsgrün aus gesehen), der sich wahrscheinlich im Bereich der heutigen Liftanlage befand, ist nicht mehr vorhanden.

In der "Sammlung zu einer Berg-Historia des Markgraftums Brandenburg-Bayreuth von Johann Wilhelm Kretschmann, Hof 1741 - Übertragung und Kommentar der von Dr.Dr.h.c. Hans Vießmann veranlassten Faksimile-Ausgabe, bearbeitet von Dieter Arzberger, Helmut Heinrich, Dr. Friedrich Wilhelm Singer, Arzberg-Selb-Hof, 1994", ist auf S. 319 folgendes zu lesen: "Was es nun für eine Gelegenheit mit diesen Ochsen Kopff haben mag, das weiß ich nicht und hab es auch noch zur Zeit noch nicht also befinden können, wie diese Schrift anzeiget. Ich weiß zweene Ochßen Köpff am Fichtelberg (= Ochsenkopf), es hat sich aber mit keinen eine solche Gelegenheit, als sie stehet, dann wann man von der Bischoffgrün auf den rechten Hohen Fichtelberg gehet, so kommt man zu einem grosen Ungeheuern Stein Felsen, da findet man auf gleicher eben gegen Bischoffgrün zu von dem Felßen einen aufgerichten Stein, etwa eines Tischs hoch, daran ist ein Ochßen Kopff mit ganzem Fleiß eingehauen, fast also gestalt (Zeichnung des Ochsenkopfes) der stehet am Stein gegen dem Mittag auf den Felßen zu und der Ruk oder Gegentheil des Steins wendet sich gleich gegen Mitternacht nach Bischoffsgrün zu, diesen Ochßen Köpff, acht ich dafür, wissen alle Leuth zu Bischoffsgrün." Kretschmann meint damit ohne Zweifel die von Max Braun gefundene Steinsäule mit der eingemeißelten Ochsenkopf-Figur. Er hält sie für bedeutender als die zwei "Ochßen Köpff" auf dem Berggipfel, die auch Helfrecht erwähnt.

Lesen wir noch, was M. Joh. Will in "Das Teutsche Paradeiß in dem vortrefflichen Fichtelberg" 1692 schreibt: "Die höchste Spitze des Berges heißet von Alters her der Ochsen-Kopf, ohne dass man weiß, warumb? Vielleicht haben die alten Teutschen auf dieser Höhe ein abgöttisches Ochsen-Bild verehret, wo noch Zween in Stein gehauene Ochsen-Köpfe zu sehen, und vor weniger Zeit eine Säule gestanden, so gleichergestalt einen Ochsen-Kopf vorgezeiget." Vielleicht war die Säule schon einmal umgefallen und wurde vor der Zeit Kretschmanns wieder aufgerichtet.

Selbst in "Gratius Kundels Wallen Büchlein, in sich fassend eine Beschreibung etlicher verborgener Berg- und Wasch-Wercke in Bohemia und Germania, 1531", angeführt auf S. 319 ff. der Berg-Historia von Kretschmann, wird die Steinsäule mit der Ochsenkopf-Figur schon genannt. Es heißt dort wörtlich: "Vom Ochsen Kopff am Fichtelberg, der ist ein Fels, daran steht der Kopff gehauen und reket eine lange Zungen aus, und so die Sonne zu Mittag scheinnet, so scheint sie oben drauf." Die in den Walenbüchlein gemachten Angaben zu den Fundstätten von Bodenschätzen sind ohne Zweifel unglaubwürdig, und zwar allein schon durch die fragwürdige Logik,andern etwas zu verschaffen, was man selbst haben könnte. Sicher ist aber, dass die Verfasser dieser so genannten Walenbüchlein oft gute bergmännische Kenntnisse hatten und mit den Örtlichkeiten vertraut waren. Man kann deshalb annehmen, dass die von Max Braun gefundene Säule schon 1531 stand und vielleicht das älteste Ochsenkopf-Wahrzeichen ist.
Soweit bekannt, wird der Bergname "Ochsenkopf" 1495 erstmals urkundlich genannt. Im "Berckwerckpuch der verlihen lehen auf dem gepirg" (StA. Bamberg, C 2, Nr. 1360) ist auf der Rückseite von fol. 19 folgender Eintrag: "Lorenz von Ploben von Nürnberg hat empfangen ime und allen seinen Mitgewerken ein Bergwerk am Fichtelberg bey dem Ochsenkopff ... 1495." Es handelt sich dabei ohne Zweifel um ein Zinnseifenwerk am jetzigen Paschenpach, gelegen zwischen Karches und dem alten Fichtelsee. Bei einem ähnlichen Eintrag auf fol. 76 im "Berckwerckpuch ..." heißt es zum Beispiel: "Albrecht Radbusch, Pfarrer zu Bischofsgrün, ... ist verliehen ein Seifen und Bergwerk am Vichtelberg bei dem Sehe gelegen ... 1496." Der Vichtelberg ist der Ochsenkopf und der Sehe ist der Fichtelsee. Mit dem Berg- oder Schneeloch am Ochsenkopfgipfel unterhalb des Ochsenkopf-Wahrzeichens hat das Bergwerk des Lorenz von Ploben nichts zu tun. Das Bergloch ist eine sich nach unten absenkende Felsenhöhle, die nach Scherber früher geräumiger war und teilweise zusammenstürzte.

Sie regte wohl schon immer die Phantasie der Menschen an. So konnte es nicht ausbleiben, dass sie mit den sagenhaften Venetianern in Verbindung gebracht wurde. Man suchte dort gelegentlich nach verschiedenen Metallen und natürlich auch nach verborgenen Schätzen. Daher kommt es auch, dass in dem "Versuch einer orographischen Charte von dem Fichtelgebirge, entworfen und gezeichnet von J.T.B. Helfrecht, 1800" auf dem Ochsenkopf die Bergkunde-Zeichen für Silber und Zinn eingezeichnet sind. Gefunden wurde im Bergloch aber nie etwas, nur Steine und Erde und bis weit in die warme Jahreszeit hinein Eis und Schnee, wovon auch der Name Schneeloch kommt.

 


Das unten an der Nordostseite des alten Ochsenkopf-Wahrzeichens eingemeißelte geheimnisvolle Zeichen.
Foto: Rudolf Thiem am 4. 10. 2003


Das alte Ochsenkopf-Wahrzeichen am Wanderweg von Bischofsgrün zum Ochsenkopfgipfel. Rudolf Thiem am 4. 10. 2003


Der Finder Max Braun sitzt auf dem noch liegenden Ochsenkopf-Wahrzeichen am Wanderweg von Bischofsgrün zum Ochsenkopfgipfel. Rudolf Thiem am 30. 9 . 2003

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