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LEHSTEN  bei Weißenstadt im Fichtelgebirge
von Werner Honig

Auf der Strasse von Weißenstadt nach Kirchenlamitz gibt es  nach ca. 3,5 km rechts eine Abzweigung. Das Hinweisschild besagt, dass der Weg nach Lehsten und Grub führt. Lehsten ist Ortsteil von Weißenstadt und nördlich im Tal fließt der Lehstenbach. Die wenigen Häuser lassen kein sehr hohes Alter des Ortes vermuten. Und doch könnte es eine der ältesten Ortschaften überhaupt im Fichtelgebirge  sein. Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 1299: Heinrich von Sparneck, sein Sohn Heinrich und sein Bruder Babo verzichteten auf Ihre Rechte an den Dörfern Grub und Lehsten zu Gunsten des Klosters Waldsassen gegen Zahlung von 6 Pfd. Heller.

Vielleicht war Lehsten aber schon an die 1300 Jahre alt, als die Urkunde vor mehr als 700 Jahren ausgestellt wurde. Die Forschung meldet nämlich neuerdings erhebliche Zweifel an der während der vergangenen  100 Jahre stets wiederholten Theorie an, dass das Fichtelgebirge bis etwa um das Jahr 1000 n.Chr. eine undurchdringliche Wildnis und äußerst siedlungsfeindlich gewesen sei, sodass es keine dauerhaft bewohnten Siedlungen gegeben hätte.  Aber so unwirtlich ist dieses mitten in Deutschland liegende Gebirge gar nicht.  Natürlich gibt es für den Ackerbau und für Viehzucht klimatisch besser geeignete Landstriche. Aber dafür hatte das Fichtelgebirge etwas zu bieten, was für die Menschen vor ca. 2000 Jahren von erheblicher Bedeutung war, nämlich Zinn. Spätestens seit der Bronzezeit war das Metall äußerst begehrt zur Herstellung von Bronze.

Der süddeutsche Raum war zumindest seit Mitte des ersten vorchristlichen Jahrtausends  von  Kelten bewohnt. Das von ihnen besiedelte Gebiet erstreckte sich vom Oberlauf der Loire bis zum Quellgebiet der Elbe. Mit ziemlicher Sicherheit war den Kelten bekannt, dass man in einigen Fluss- und Bachläufen dieses Gebirges, das doch inmitten ihrer Wohngebiete lag, Zinn finden kann. Und manche Abraumhalde bei Zinnwäschen in Fichtelgebirge, die mangels besseren Wissens als „mittelalterlich“ datiert wird, stammt wahrscheinlich bereits aus keltischer Zeit.

Ein deutlicher Hinweis ist der Ortsname Lehsten. Im Bretonischen, der einzigen jetzt noch gesprochenen festlandkeltischen Sprache, heißt Zinn „staen“. Außerdem kennt die bretonische Sprache den Begriff „lec’h“, was etwa Ort, Stelle, Stätte bedeutet. Gesprochen wird „c’h“ wie „ch“ im deutschen Wort „nach“. Ein Platz, an dem man Zinn finden konnte, war demnach „lec’hstaen“. „Lehsten“ bedeutet also „Zinnort“.

Für spätere während der Völkerwanderungszeit ankommende fränkische Einwanderer, die von den bereits hier wohnenden Kelten den Begriff übernahmen,  war der Kehllaut mit dem nachfolgenden „st“ nicht einfach auszusprechen und so hat sich das Wort zu „Lehsten“ verschliffen. Es kommen auch die Schreibweise „Lesten“ und „Lessten“ vor. Die fränkischen Siedler, die sich neben den Einheimischen niederließen, haben dann auch dem „Lehstenbach“ und dem „Lehstenberg“ ihren Namen gegeben. So entstanden die Bezeichnungen mit keltischem Grundwort und folgendem deutschem –bach und –berg. Noch später, als die Bedeutung des Wortes „Lehsten“ schon in Vergessenheit geraten war, benannte man  einen zum Lehstenbach fließenden Bach „Zinnbach“ und unterstrich damit nur nochmals den Grund für die ursprüngliche Namensgebung.

Der Nachbarort von Lehsten hat seinen Namen  ebenfalls vom Zinnbergbau. „Grub“ verweist auf die Gruben, die entstehen, wenn im Sand bzw. lockeren Gestein nach Zinn gegraben wird.

Die keltischen Bewohner haben im Übrigen  dem von den neuangekommenen fränkischen Siedlern gegründeten weiteren Nachbarort gleich den entsprechenden Namen gegeben: Der Ort heißt nämlich noch heute  „Franken“.

Anschrift des Verfassers: Theodor-Fontane-Weg 13, 95100 Selb

Verwendete Literatur:
1) Hermann Dannheimer und Rupert Gebhard „Das keltische Jahrtausend“, Mainz 1993
2) Roparz Hemon, Ronan Huon : „Dictionnaire Breton-Francais, Francais-Breton“, Brest 1997
3) Dietmar Herrmann „Lexikon Fichtelgebirge“, Hof 2000
4) Georg Krauss „Weißenstädter Heimatbuch“, Weiden 1971
5) Rudolf Thiem: Zur Geschichte des Zinnbergbaus im Fichtelgebirge. Heft 8/1998 der FGV-Schriftenreihe Das Fichtelgebirge
6) Rudolf Thiem: Verschwundene Dörfer und Besiedlung im westlichen Fichtelgebirge. Heft 9/2002 der FGV-Schriftenreihe Das Fichtelgebirge
Die Literatur zu 3, 5 und 6 kann vom Fichtelgebirgsverein, Theresienstraße 2, 95632 Wunsiedel bezogen werden. Tel.09232-700755, info@fichtelgebirgsverein.de

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