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Von der Kirchenlamitzer Granitindustrie

Werner Bergmann   

Im Jahr 1895 charakterisierte der als Vater der bayerischen Landeskunde bezeichnete Professor Dr. Wilhelm Goetz in seinem Geographisch-Historischen Handbuch von Bayern den Ort Kirchenlamitz als einen ausgedehnten, freundlich und wohlhabend aussehenden Markt beiderseits der Lamitz und rühmte seine breite Hauptstraße als geschlossene Bauanlage. Wilhelm Goetz muß demnach Kirchenlamitz aus eigener Anschauung gekannt haben. Sicherlich werden die mächtigen Torbögen, die Tür- und Fenstereinfassungen aus Granit ebenso wie die dazugehörenden Tore, Türen und Fensterläden nur einige Mosaiksteinchen für sein Urteil über den Bauzustand der Stadt und die soziale Einordnung seiner Bewohner gewesen sein. Granit, das war für etliche Generationen der Baustoff aus der Region und für die Region, wie anderswo der Sandstein oder das Holz.

Die Granitgewinnung am Epprechtstein zu Bauzwecken reicht bis ins Mittelalter zurück. Das nötige Material lieferten früher die in großer Zahl zutage liegenden Findlinge und anstehenden Felspartien.

Erst mit Erscheinen einer Bergwerksordnung wurde der Granitabbau im Fichtelgebirge geregelt: Nur wer im Besitz eines Lehenbriefes war, durfte eine bestimmte Fläche als Grubenfeld benutzen.

Seit 1721 durfte nur derjenige Steine brechen, der durch einen vom markgräflichen Bergamt erhaltenen Lehenschein dazu legitimiert war. Diese Rechtsgrundlage gilt in abgewandelter Form noch heute und zwang im Laufe der Zeit dazu, den Granit aus der Tiefe zu gewinnen, wo er auch reiner, härter und brauchbarer erschien.

Bereits im Jahr 1700 hatte in Kirchenlamitz die vereinigte Zunft der Steinhauer, Maurer und Zimmerleute bestanden. Die aber oft auftretenden Differenzen ließen es zu einer Trennung kommen. 1705 wurde die selbständige Innung der Maurer und Steinhauer conzessioniert. Meister waren im Jahr 1720: Veit Ludwig, Wolfgang Eyl, Johann Franck, Georg Schmidt, Nicol Fraas, Adam Reinel.i

Um 1800 häuften sich die Beschwerden der Privatwaldbesitzer gegen die Steinmetzmeister, besonders gegen den Meister Vates, die in den Waldungen Granitblöcke behauen und abfahren ließen. Auf diese Klagen hin kam von der Forstbehörde der Bescheid: Es ist das Steinhauerhandwerk mit allen auf Privatgründen und Privatwaldungen sich befindlichen Granit bergrechtlich beliehen, daselbst allerhand Steinhauerarbeiten zu tun. Brechen, behauen und abfahren. Es sind dabei die Abgaben nicht wie bisher an die Forstnebenbenutzungskasse, sondern an das Bergamt zu leisten.

Zwar setzte sich der Kirchenlamitzer Magistrat für die Waldbesitzer mit allen Kräften ein, leider aber ohne Erfolg. An die Bergamtskasse waren von den Meistern bei Bearbeitung des im Wald gewonnenen Materials zu steuern: Für eine Tür 7 Kreuzer 5 Pfennig; für einen Satz Fenster 2 Kreuzer 2 Pfennig; Für eine Forderung von 100 Gulden 10 Kreuzer.ii

Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts ging man dazu über, Steinbrüche anzulegen. Waren bisher nur lokale Bedürfnisse für die Bearbeitung des Granits zu Bauzwecken maßgebend, so erschloss sich erst seit den 1820-er Jahren ein beständiger Markt für die Steinindustrie. Ursache dafür war der Straßenbau, wozu für Brückenbauten, Durchlässe, Schutzmauern und Kilometersteine Granitarbeiten benötigt wurden. Meister waren zu dieser Zeit Georg Ködel, Nicol Frank und Chr. Reinel.

Von den Nachwehen der unruhigen Jahre 1848/49 blieben auch die Granitbetriebe nicht verschont und es kam zu ersten Streiks. Bei Grimm legten 25 Steinhauer und bei Redlich 20 die Arbeit nieder, ausländische Arbeiter wurden ausgewiesen.

Mit dem Bau der Eisenbahn begann die eigentliche Entwicklung der Granitindustrie des Fichtelgebirges. Die Bahn selbst hatte einen großen Bedarf an Werksteinen, gleichzeitig schuf sie aber auch die Voraussetzungen für den Transport der Steine über weite Entfernungen. Es kam in den Betrieben jetzt zur Massenarbeit, zu einem industriellen Betrieb. 1862 lieferten Wilfert und Frank zusammen über 200.000 Granitwürfel zur Befestigung der Eisenbahnschienen.

Als 1865 die Kirchenlamitzer Weberei fast ganz darniederlag, wechselten zahlreiche Weber in die Steinindustrie. Dies tat auch der Webergeselle Johann Rauber, der zwei Kuxe besaß und bei Heinritz gelernt hatte. Er erhielt von Bayreuth die Lizenz. Als sich aber herausstellte, dass er nicht einmal den einfachsten Prüfungsbestimmungen nachkommen konnte, wurde ihm der Betrieb wieder untersagt.

Bereits in den 1860-er-Jahren wurde ein Unterstützungsverein der Steinhauer- und Maurergesellen mit 61 Mitgliedern gegründet.

Von 1869 an waren die Kirchenlamitzer Meister verpflichtet, im Granit gefundene Einschlüsse wie Turmaline, Bergkristalle, Flußspate und dergleichen Mineralien an die geologische Schule in München abzuliefern.

Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts erlebte die Kirchenlamitzer Granitindustrie einen ungeahnten Aufstieg. Beim Bau von Schulen, Rathäusern und Staatsgebäuden wurde vielfach Granit verwendet und in den Größeren Städten wurde er als Belag für die Gehsteige verlegt.

1887 waren Christian und Johann Frank, Adam Wilfert, Johann und Joachim Grimm, Georg König und Robert Lenk als Meister tätig.

Im Laufe der Zeit entstanden rund um den Epprechtstein 93 Granit-Entnahmestellen. In dieser Zahl sind die 20 Granit-Steinbrüche, unter ihnen der weithin sichtbare, mächtige Schloßbrunnenbruch, an der Ostseite des Berges, enthalten. 1897 beschäftigten die fünf Kirchenlamitzer Steinmetzbetriebe rund 450 Arbeiter. Jeder zweite arbeitsfähige männliche Einwohner von Kirchenlamitz verdiente seinen Lebensunterhalt im Steinbruch oder auf dem Werkplatz.

Die Einführung der Gewerbefreiheit entzog Ende des 19. Jahrhunderts den Zünften ihre Daseinsberechtigung. An ihre Stelle traten die Innungen. Im Jahr 1900 betrug die Zahl der in den Kirchenlamitzer Betrieben arbeitenden Steinhauer bei Frank 150, bei Grimm 134 und bei Wilfert 92, zusammen 376 Beschäftigte.iii

Durch den Ersten Weltkrieg und die folgende Not- und Inflationszeit, in denen die Bautätigkeit fast völlig stockte, kam die Kirchenlamitzer Granitindustrie nahezu zum Erliegen, um in der Zeit von 1933-1939 eine erneute Hochkonjunktur zu erleben. Dabei gingen den Firmen Aufträge zu, die nach Form und Inhalt von überspannter Großartigkeit waren, besonders solche nach Nürnberg und München. Diese Aufträge waren natürlich auch ein Anstoß zur Erweiterung der Anlagen und der technischen Betriebsmittel.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Granitindustrie dann endgültig - weil zu kostenintensiv und durch andere Baustoffe ersetzt - ihre große Bedeutung verloren.

Den Weg zum Arbeitsplatz mußten die Steinhauer zu Fuß zurücklegen. Das Mittagessen wurde ihnen von ihren Frauen und Kindern gebracht (den Suppentrogern) und im Kabinett (Aufenthaltsraum) eingenommen.

Die Arbeit in den Steinbrüchen war schwer und gefährlich. Unfälle, auch tödliche, beim Sprengen, beim Transport der Steine im Bruch und beim Verladen waren nicht selten. Gefürchtet war die Steinhauerkrankheit, wie die Silikose genannt wurde, die durch den Staub hervorgerufen wurde. Sie führte bei vielen Arbeitern zu frühem Tod.

Der Werkstoff Granit prägte auch den ihn bearbeitenden Menschen: Rauh ist die Arbeit und rauh sind wir, charakterisierten sich die Steinarbeiter selbst. Wenn den Steinhauern auch derbe Charaktereigenschaften nachgesagt wurden, so waren sie doch nicht selten auch zu Witz und Scherz aufgelegt.

1. Bergmann, Werner: Das „Handwercks-Buch derer Maurer und Steinhauer zu Kirchenlamitz“, Teil I, Das Meisterbuch (1706-1828). Quellenedition zur Wirtschaftsgeschichte von Kirchenlamitz, Kirchenlamitz 2001 (Reproduktion und Transkription des in Privatbesitz befindlichen Originals).

2. Meyer, Heinrich: Chronik der Stadt Kirchenlamitz. Maschinenschriftl. Manuskript im StadtA Kirchenlamitz, o. J. (vor 1954) S. 323-326 (zit.: Meyer, Chronik).

3. Meyer, Chronik, S. 326.


Anschrift des Verfassers:

Werner Bergmann, Franz-Schaller-Siedlung 14, 95158 Kirchenlamitz.


Die härteste Arbeit: Ein bereits „gerissener“ Granitblock wird auseinandergestemmt und durch den Steinbrucharbeiter in transportable und verarbeitungsgerechte Blöcke zerlegt. Steinbrecher Karl Westernacher (1900-1971), Schlossbrunnenbruch 1957 (Foto: Helga Stursberg. Repro aus: „Merian“, Heft 10/1957.

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