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Keltische Flurnamen im Fichtelgebirge

Werner Honig

In der heimatkundlichen Literatur über das Fichtelgebirge wird hier und da auf die Kelten als ehemalige Bewohner dieser Gegend hingewiesen. Allerdings sind wenig konkrete Angaben zu finden. Die Landesausstellung „Die Kelten in Mitteleuropa“ in Hallein/Österreich 1980 und die des Freistaates Bayern „Das keltische Jahrtausend“ 1993 in Rosenheim haben unser Augenmerk verstärkt auf keltisch sprechenden Stämme gelenkt. Und unwillkürlich fragt man sich, ob die Kelten auch in unserer Heimat Spuren hinterlassen haben.

In der topographischen Karte 1:25000, Blatt 5837 für Weißenstadt findet man als einen der Zuflüsse des Weißenstädter Sees einen Bach mit dem eigenartigen Namen „Wulgera“. Bei dem im Landbuch der Sechsämter von 1499 [1] bei der Beschreibung der Rainung von „Ruprechtsgrun“ erwähnten „Wulderpechlein“ dürfte es sich ebenfalls um diesen Bach handeln. Wenn man genau nachforscht, so zeigt sich, dass ursprünglich wohl nicht der Bach, sondern eher die ganze Flur den Namen „Wulchera“ oder „Wulgara“ trug. Zum Beispiel heißt es im „Weißenstädter Heimatbuch“ von Georg Krauss [2] bei der Beschreibung des Stadtwaldes unter anderem „…das große Holz über dem Weiher gegen Mitternacht zu…fängt sich oberhalb Rupprechtsgrün gegen Abend in der sogenannten Wulgara oder Vogelherd an…“. Bei der Aufzählung der 1868 in städtischem Besitz befindlichen Grundstücke wird dann eine Fläche von 4,60 Tagwerk „In der Wulgara“ erwähnt. Der Begriff wird also vor allem mit der Flur verbunden, durch die der Bach fließt bzw. in der er entspringt.

Wenn wir uns fragen, welche Bedeutung der Begriff „Wulchera“ oder „Wulgara“ hat, dann werden wir bei der keltischen Sprache fündig. Im Bretonischen [3] gibt es auch heute noch den Ausdruck „boulc’h“ (b = w). Das Wort heißt: Einschnitt, Scharte, Lücke, Bresche. „Gara“ oder „garan“ heißt im Keltischen Kranich. Eine Flur mit dem Namen „boulc’hgara“ bedeutet also „Kranichscharte“. Und tatsächlich handelt es sich bei dieser Flur um einen Einschnitt zwischen der Höhe 715 nördlich von Ruppertsgrün und der 710 m hohen Erhebung des Vogelherds. Die Einsenkung setzt sich fort in der Kroatenloh und bildet dann eine Scharte zwischen dem Zellerfels und dem Ausläufer des Großen Waldsteins. Letztendlich bildet dieser Einschnitt den Übergang über den Kamm des Gebirges zwischen Weißenstadt und Zell und mag in alter Zeit der Pass über das Gebirge gewesen sein. Heute verläuft der Übergang weiter südlich. Der spätere Name „Vogelherd“ für diese Flur läßt sich dann mühelos erklären, wenn in dieser Gegend die Kraniche gebrütet haben.

In der Transkription des „Landbuchs der Sechsämter von 1499“ von Dr. F. W. Singer [1] wird auf Seite 259 (Blatt 163) die Rainung von Kirchenlamitz beschrieben. Die Beschreibung beginnt am Glasanger und setzt sich fort bis in die Furt am unteren Hammer zu Niederlamitz. Dann heißt es:“…darnach den weg hinauff an Kornperg in den stain, der am weg im Gerwn liegt,…“ Dieses Wort folgt dann nochmals auf Seite 351; dort heißt es allerdings „Gerun“. Das zeigt, dass bei Abfassung des Landbuchs zwar der seit urdenklichen Zeiten verwendete Name für die Flur noch bekannt war, der Sinn allerdings längst nicht mehr verstanden wurde und die genaue Schreibweise dem amtlichen Schreiber des Landbuchs Friedrich Prucker, der wohl nicht aus dem Fichtelgebirge, sondern vermutlich eher aus Mittelfranken stammte, nicht geläufig war. Denn korrekt muss es „Gwern“ heißen. Das Wort „Gwern“ bezeichnet im Bretonischen und im Gallischen eine feuchte, eine wasserreiche Zone[3]. Genau das trifft für diesen Bereich westlich von Niederlamitz am Ortsende von Niederlamitzerhammer zu. Das Gebiet heißt jetzt „Grüne Loh“, dort entspringen mindestens 5 Quellen, die sich im Grund zum Bach sammeln. Ein „Gwern“ kann auch ein Sumpf sein oder sogar den Baum bezeichnen, der vorzugsweise am Wasser und in Feuchtgebieten wächst, nämlich die Erle.

Dieses Wort „Gwern“ scheint auch der ursprüngliche Name des Zeitelmooses gewesen zu sein. Dr. Friedrich Wilhelm Singer weist in seinem Kommentar zur Namenwelt des Landbuchs darauf hin, dass das Zeitelmoos im Landbuch einhellig das „Zerrnmoos“ genannt wird. Der Name Zeitelmoos kam erst wesentlich später auf. Der Gleichklang von „Zerrn“ und „Gwern ist unverkennbar. Wann und warum jedoch aus dem ursprünglichen „Gwern“ ein „Zerrn“ wurde, wird sich wohl nicht mehr klären lassen. Als der ursprüngliche Sinn des ortes nicht mehr verstanden wurde, fügte man dem für einen Eigennamen gehaltenen Wort wohl noch das erklärende „Moos“ bei.

So gibt es im Fichtelgebirge und seinen Umlanden mit Sicherheit noch viel mehr Orts-, Fluss-, Berg- und Flurnamen, die auf die Kelten zurückgehen. Doch hat bisher noch kaum jemand danach gesucht; bzw. hat man sich seit etwa 200 Jahren zu sehr darauf konzentriert, jeden nicht aus dem Deutschen erklärbaren Namen als slawisch zu deuten.

Literatur:

[1] Friedrich Wilhelm Singer: Das Landbuch der Sechsämter von 1499, herausgegeben vom

Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge 1987

[2] Georg Krauss: Weissenstädter Heimatbuch, Verlag Kiessling, Weiden 1971

[3] Roparz Hemon, Ronan Huon: Dictionnaire Breton-Francais, Francais-Breton, Al Liamm,

Brest, 1997

Dieser Aufsatz wurde in der FGV-Vereinszeitschrift Der Siebenstern Ausgabge 1/2007 abgedruckt.

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