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Die Münchberger Hochfläche –
ein eigenständiger Naturraum zwischen Frankenwald und Fichtelgebirge
Heinrich Vollrath

Anlässlich des Fichtelgebirgstages 2007 (119. Hauptversammlung des Fichtelgebirgsvereins am 2. Juni) in Stammbach und auf dem Weißenstein wurde die Frage nach der landschaftlichen Zuordnung des Gebiets aufgeworfen. „Bin ich noch im Fichtelgebirge oder schon im Frankenwald?“ fragte die Bundestagsabgeordnete Petra Ernstberger. „So genau konnte diese Frage niemand beantworten“ schrieb dazu die Frankenpost in ihrem Bericht am 12. Juni. Wir wollen die Frage hier aus naturwissenschaftlicher Sicht diskutieren und lösen; die kulturgeographischen, wirtschaftlichen und politischen Aspekte müssen wir dabei außer Acht lassen.

Die Geologen sind sich einig, daß der Weißenstein und der Raum um Stammbach zur „Münchberger Gneisscholle“ gehören, eine eigene Einheit, die weder zum Frankenwald – im größeren Rahmen also zum Thüringer Schiefergebirge – noch zum Fichtelgebirge gerechnet werden darf. Die Geomorphologen und die Biogeographen, die sich mit den Oberflächenformen (dem Relief) der Erde bzw. mit der Verbreitung der Pflanzen und Tiere (und Menschenrassen) beschäftigen, bilden jedoch eine Einheit, die etwas über die Scholle hinausgreift und nennen diese „Münchberger Hochfläche“; denn im Südosten, am Fuße des Waldsteinzuges muß unter diesen Gesichtspunkten noch ein Keil von Frauenbach- und Phycodenschichten (Tonschiefer bis Phyllit) dazugerechnet werden, der, von Rehau her kommend, sich verschmälernd bis gegen Zell hinzieht. Hier ist also die Orographie, die tektonische Heraushebung des zweifellos zum Fichtelgebirge zu zählenden Waldsteinzuges, für die Naturraumgrenze prägender als die Gesteinsgrenze, die am SO-Rand der Scholle den Gneisen und Metabasiten (Eklogit, Serpentinit u. a.) entlang zu ziehen ist. (Die Naturraumgrenzen sind dort zu ziehen, wo sich die meisten Bestandteile der Landesnatur, wie Boden, Klima, Vegetation usw. bündeln).

Die Münchberger Hochfläche besitzt in der offiziellen naturräumlichen Gliederung der Bundesanstalt für Landeskunde und Raumforschung Bad Godesberg eine eigene Naturraum-Nummer (393)i. Wollte man, etwa aus dem Bestreben heraus, die Zahl der Naturräume klein zu halten, die Münchberger Hochfläche einem der Nachbarräume zuschlagen, käme (als Untereinheit) nur das Fichtelgebirge in Frage, keinesfalls der Frankenwald. Die größere Affinität zum Fichtelgebirge geht z. B. aus den Punkt-Verbreitungskarten geographisch wichtiger Pflanzenarten bei Vollrath (1957) hervor. Die Moorpflanze Vaccinium oxycoccos (Moosbeere) z. B. ist dort nur für Fichtelgebirge und Münchberger Hochfläche nachgewiesen. Nach den neuesten, noch unvollständigen Rasterkartierungen unseres Arbeitskreises „Flora Nordostbayerns“ muß allerdings befürchtet werden, daß sie auf der Hochfläche inzwischen erloschen ist (siehe Pedro Gerstberger & Heinrich Vollrath [Hrg.]: Flora Nordostbayerns – Zwischenbericht 2006, S. 249. Ber. Naturwiss. Ges. Bayreuth, Beiheft 6, 2007).

Nachdem die Münchberger Hochfläche als selbständiger Naturraum erkannt ist, stellt sich u. v. a. auch die Frage nach ihrer höchsten Erhebung. Sie erreicht ihren höchsten Punkt mit 726 m ü. NN im Kriegswald bei Rappetenreuthii auf Metahornfelsgneis (gnh), wie aus der Geol. Karte von Bayern 1:25000, Blatt 5736 Helmbrechts, ersichtlich ist (Gauß-Krüger-Koordinaten: 4446340, 5565170). Dieser Punkt liegt nur 1,8 km sö der Gesteinsgrenze zum Frankenwald, der mit dem ordovizischen Randschiefer (oR, t) bei Gösmes beginnt (Geol. Karte 5735 Schwarzenbach am Wald). Mit dem Übertritt in die weicheren, leichter erodierbaren Gesteine, wie Randschiefer (Tonschiefer unterschiedlicher Farbe mit eingelagertem Tuffit und hellgrauem Lydit), Diabastuff („Schalstein“, Dt) und feinkörnigem Diabas (Dd) beginnt auch gleich die tiefere Einschneidung der Täler, die für den Frankenwald so typisch ist. Auf der Gneisscholle sind die Täler dagegen nur in der Nähe der Verwerfungslinie (Fichtelgebirgsrandspalte, Fränkische Linie) oder kurz vor ihrem Übertritt in den Frankenwald tief eingesägt (Beispiel: Großer Rehbach von Großrehmühle bis Guttenbergerhammer), vergleichbar einer am Rand angesägten Tischplatte. Der höchste Punkt der Gneisscholle ist demnach nicht am Kirchberg-Aussichtsturm (678 m) bei Helmbrechts und auch nicht am Weißenstein (668 m) bei Stammbach, wie man gelegentlich in der Heimatliteratur liest.

Orographie und Höhenlage sind im „Handbuch der naturräumlichen Gliederung Deutschlands“, 6. Lieferung, Remagen 1959, im Kap. „393 Münchberger Hochfläche“, S. 616-618, bearbeitet von Horst Mensching, trefflich beschrieben: „Seinen Oberflächenformen nach unterscheidet sich das Gneisgebiet vom Frankenwald im engeren Sinne durch eine im ganzen nicht so stark zertalte Hochfläche, die jedoch durch weite und flache Mulden zwischen niederen Kuppen zu einem unruhigen Hochplateau wird, aus dem zahlreiche Höhenrücken und Bergkuppen herausragen. Oft besteht eine enge Abhängigkeit von der Härte des Gesteins, d. h. eine stärkere Herauspräparierung der Orthogneise, Serpentingesteine u. a., die in Felsrücken (z. B. Weißenstein, Peterlesstein) eine Hochfläche in 600 m mittlerer Höhenlage überragen und 670 m bis max. 727 m erreichen“.

Den orographischen Charakter der Münchberger Hochfläche hatten auch schon Alexander Walther und Ludwig Molendo in „Laubmoose Oberfrankens“ (Leipzig 1868) gut erfaßt: „Flache Kuppen wölben sich sanft auf breiten Fußgestellen, zwischen denen die kleineren Flüsse ihren Lauf nehmen können.“ In meiner Diss. (1957) charakterisierte ich so: „Das Wm [die Münchberger Hochfläche], das sich, etwa vom Waldstein zum Döbraberg blickend, wenigstens in der Querachse zur Gänze überschauen läßt, bietet sich dem Auge als von vielen kleinen Wäldchen durchsetzte Ackerlandschaft. Es ähnelt physiognomisch etwas dem Inneren Wf [Fichtelgebirge], keinesfalls dem Ws [Frankenwald]. Die zahlreichen trockenen Wäldchen sind meist auf die Kuppen beschränkt, die Hänge von Äckern eingenommen, die flachwannigen Bachgründe von artenarmen, oft sauren Wiesen begleitet. In Quell- und Talmulden liegen Gruppen kleiner artenarmer Weiher und haben sich zahlreiche Moore und Mooranflüge erhalten, denen die meisten Hochmoorpflanzen des Wf jedoch fehlen. Im Gegensatz dazu sind im Ws die steilen Hänge von geschlossenen Wäldern, die Plateaus von Äckern bedeckt. ...“

In der geplanten Flora von Nordostbayern sollen nicht nur Rasterkarten auf Quadrantenbasis (Meßtischblatt-Vierteln) erscheinen, sondern auch eine differenzierte naturräumliche Gliederung des Gebiets. Ob auch Punktverbreitungskarten, wenigstens für eine Auswahl geographisch wichtiger Geoelemente, erstellt werden können, die eine erheblich schärfere Abgrenzung der Naturräume und feinere Untergliederung ermöglichen, aber einen vielfach höheren Zeitaufwand erfordern, kann derzeit noch nicht gesagt werden.

 Die Getreideunkraut-Gesellschaften (Secalietea) zeigen deutlichen Montancharakter. Bei Kriegsreuth herrscht das Galeopsio-Aphanetum arvensis (Oberd. 57) Meisel 52, die Berg-Ackerknäuelkraut-Gesellschaft, das sind an Arten verarmte Halmfrucht-Unkraut-Bestände montaner bis hochmontaner Lagen auf kalkarmen, sauren bis starksauren, vorwiegend sandig-grusigen Böden. Hohlzahn-Arten kommen zur Dominanz, wie Galeopsis pubescens und G. tetrahit flor. albido.

 Das Thüringer Schiefergebirge hat dort auch nur eine einzige Nummer (392). Läßt sich aber nach unserer Auffassung entlang der Devonzone nw Steinach?Spechtsbrunn?Gräfenthal („d“ auf der Geol. Karte von Bayern 1:500000) doch in zwei Teile gliedern: in einen kleineren nordwestlichen und einen größeren südöstlichen Abschnitt. Der letztere wird von uns „Frankenwald“ genannt. – Bei Vollrath (1953) ist Raum 393 noch „Gneisscholle“ genannt, in der Diss. (1957) und allen folgenden Arbeiten „Hochfläche“. Der Name „Münchberger Hochfläche“ dürfte wohl seit 1959 von allen Geographen verwendet werden, z. B. Klaus Müller-Hohenstein 1970.

 Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. rer. nat. habil. Heinrich Vollrath
Moritzhöfen 15, 95447 Bayreuth, Tel. 0921-514930

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