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Im Jahr 2008: 875 Jahre Kloster Waldassen
Dietmar Herrmann

Zwischen Fichtelgebirge und Oberpfälzer Wald, im Landkreis Tirschenreuth, liegt das Stiftland. Die Stiftung des Klosters Waldsassen war einst namensgebend für diesen Landstrich in der nordöstlichen Oberpfalz. Das Kloster Waldsassen hatte über lange Zeit nicht nur einen klösterlichen Grundbesitz in dieser Gegend, es übte hier auch die herrschaftlichen Rechte über Land und Leute aus.

Die sanft gewellte Hügellandschaft des Stiftlandes mit schmucken Dörfern in den Talmulden von Wondreb und Waldnaab und hunderte Karpfenteiche um Tirschenreuth und Wiesau geben der Landschaft ein besonderes Gepräge. Die Basilika in Waldsassen, die Stiftsbibliothek mit ihren Schnitzarbeiten und die Wallfahrtskirche Kappl auf dem Glasberg sind heute Hauptsehenswürdigkeiten bei einem Besuch des Stiftlandes. In diesem Jahr wird das 875-jährige Jubiläum des Stifts Waldsassen gebührend mit verschiedenen herausragenden Veranstaltungen gefeiert. Die Stadt Waldsassen hat einen gedruckten Veranstaltungskalender herausgegeben und auch auf ihrer Homepage veröffentlicht.

Die Gründung des Stifts

Im Jahr 1131 traf König Lothar von Supplinburg in Lüttich mit Papst Innozenz II. zusammen. Im königlichen Gefolge befand sich auch Markgraf Diepold III. von Vohburg, der dort vermutlich mit Abt Bernhard von Clairvaux die Gründung eines Zisterzienserklosters in der Oberpfalz beriet. Ausgehend von dem Mutterkloster Volkenroda in Thüringen (Unstrut-Hainich-Kreis) erfolgte nämlich um 1133 die Gründung des Klosters Waldsassen. Die Gründungsurkunde dieser ersten Zisterze in Bayern und nach der Tradition zugleich einhundertsten Niederlassung des Ordens ist nicht erhalten. Offensichtlich stand die Klostergründung in engem Zusammenhang mit dem Landesausbau durch den Markgrafen, dem der Rodungs- und Kultivierungsauftrag der Zisterzienser entgegenkam. Hierfür sprach die einsame Lage als „Sitz im Wald“ (Waldsassen) im Sumpfland entlang des Flusses Wondreb.

Die neue Zisterzienserabtei stand schnell in einem günstigen Verhältnis zu den deutschen Königen und Kaisern. Im Jahr 1147 erlangte Waldsassen als einziges Zisterzienserkloster aufgrund eines Privilegs König Konrads III. die Reichsunmittelbarkeit, die von späteren Herrschern wiederholt anerkannt wurde. Papst Lucius III. stellte das Kloster 1185 schließlich unter den Schutz der Kurie und bestätigte seinen ausgedehnten Grundbesitz. Diesen bauten die Waldsassener Äbte bis in die Mitte des 14. Jahrhunderts systematisch zu einem geschlossenen Herrschaftsgebiet aus. Als wichtigster Territorialherr prägte die Abtei den noch heute als „Stiftland“ bekannten Herrschaftsraum und genoss wachsende überregionale Bedeutung. Der Wohl11stand des Klosters spiegelte sich bereits bald nach seiner Gründung in einer regen Bautätigkeit wider, sodass 1179 der Regensburger Bischof Kuno II. in Anwesenheit Kaiser Friedrich Barbarossas eine im romanischen Stil erbaute dreischiffige Basilika einweihen konnte. Die vielen Weiher der Zisterzienser von Waldsassen (im 17. Jahrhundert waren es rund 170 Zuchtteiche) boten gemäß der Überlieferung hierzu ein gewaltige Menge von Fisch für das Festmahl.

Ausgehend von Waldsassen wurden neben dem oberpfälzischen Walderbach
(1143) Tochterklöster im böhmischen Sedlec (Sedletz, 1143) und Ossek (Ossegg,
1194) gegründet. Nachdem der reichsunmittelbare Status der Abtei von verschiedenen Fürstenmehrfach bedroht war, unterstellte sich das Kloster nach dem Tod des letzten Stauferkaisers Konradin ab 1269 dem Schutz der böhmischen Krone. Die Äbte blieben aber selbstständige Landesherren und nahmen an den Reichstagen teil. Allerdings gab es auch innerhalb des Konvents Verfallserscheinungen. Denn seit dem 14. Jahrhundert resignierten die Waldsassener Äbte nach einer großzügigen Abfindung häufig. Nicht nur einmal kam es zu Parteiungen innerhalb des Konvents wegen des selbstgewählten Schutzherrn.

Erste Säkularisation

Nach langer Blüte erlebte die Abtei im 16. Jahrhundert schwere Schicksalsschläge. Während des Landshuter Erbfolgekrieges (1503/05) wurden Waldsassen geplündert und niedergebrannt. Wenige Jahre nach dem beginnenden Wiederaufbau (ab 1517) nutzte Pfalzgraf Friedrich II. die Bauernunruhen von 1525 um seinen Herrschaftsanspruch über das Kloster durchzusetzen. Diesen leitete er daraus ab, dass sich die Abtei zu Beginn des 15. Jahrhunderts unter den Schutz des Pfalzgrafen gestellt hatte. 1537 ließ er den Abt gefangen nehmen und 1543 das Kloster besetzen. In der Folge nahmen die landesherrlichen Ûbergriffe weiter zu. Die nach kanonischem Recht gewählten Äbte wurden durch weltliche Administratoren ersetzt. Das Kloster büßte seine Reichsunmittelbarkeit ein.1556 wurde Waldsassen unter dem zum Luthertum konvertierten Kurfürsten Ottheinrich säkularisiert und 1560 die letzten Mönche vertrieben. 1571 kam das Stiftsland an die Kurpfalz.

Ortsgründung von Waldsassen

Ab 1613 begann bei der einsam gelegenen Zisterze die Errichtung einer bürgerlichen Ortschaft durch die Familie Geisel ausTirschenreuth, die hier eine Tuchmanufaktur ansiedelte. Das ehemalige Kloster selbst diente als kurfürstlicher Gutshof und gelegentlicher Aufenthaltsort der Landesherren. So empfing im Abteischloss der „Winterkönig“ Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz die Huldigung der Stände Böhmens. Nachdem dem bayerischen Herzog Maximilian I. im Dreißigjährigen Krieg die pfälzische Kurwürde übertragen und als Kriegsentschädigung 1628 die Oberpfalz mit dem Stiftland zugesprochen worden war, erfolgte durch den Jesuitenorden  die Rekatholisierung. Die Wiederaufnahme der klösterlichen Tradition in Waldsassen gelang aber erst unter Kurfürst Ferdinand Maria ab 1661. Ausgestattet mit landesherrlichen Geldern Klöster in Bayern: Waldsassen begannen drei Zisterzienser aus Fürstenfeld den Wiederaufbau des Klosters Waldsassen unter formeller Administration des Kurfürsten.1669 wurde Waldsassen zum Priorat von Fürstenfeld. In der Zwischenzeit waren immer mehr Mönche von Fürstenfeld aus nach Waldsassen gekommen, um sich dort der Seelsorge, der Liturgie und der klösterlichen Ökonomie zu widmen. 1690 wurde das Kloster wieder zur Abtei erhoben und erhielt seinen Besitz zurück. Verwehrt blieb Waldsassen jedoch die Wiedereinsetzung des Abts als Landesherrn. Dieser war fortan der bayerische Kurfürst.

Zweite Blütezeit des Klosters

Nun begann die zweite Blütezeit Waldsassens. Die gesamte Klosteranlage war nach einer Brandschatzung durch schwedische Truppen im Dreißigjährigen Krieg noch in desolatem Zustand. 1681 wurde daher ein Neubau in Angriff genommen. Die bedeutenden Kirchenbaumeister Abraham Leuthner und die Gebrüder Dientzenhofer schufen hier eine der  großartigsten Barockkirchen Bayerns. 1704 fand die feierliche Weihe statt. 1727 war die Klosterbibliothek vollendet. Mehr noch als durch ihr prachtvolles Deckengemälde und die Stuckarbeiten ist die Waldsassener Bibliothek berühmt geworden durch die lebensgroßen, geschnitzten Holzfiguren von Karl Stilp. Der gebürtige Waldsassener schuf u.a. zehn Charakterfiguren, die vermutlich die verschiedenen Facetten des Hochmutes darstellen: Dummheit, Zorn, Eigenbrötelei, Spottlust, Prahlerei, Ignoranz, Hoffart, Eitelkeit, Neugierde und Heuchelei. Zum Kloster gehörte auch die berühmte Kirche Zur Heiligsten Dreifaltigkeit in Kappl auf dem Glasberg. Dort hatte bereits im Mittelalter eine Wallfahrt existiert. Sie fand im Barock wieder regen Zulauf, sodass eine neue und größere Kirche notwendig wurde. Georg Dientzenhofer gelang es in diesem zwischen 1685 und 1689 errichteten Sakralbau der Idee der Trinität auch architektonischen Ausdruck zu verleihen. So entstand eine der originellsten Kirchen des Barock in Süddeutschland.

Zweite Säkularisation

Im Jahr der Säkularisation 1803 erlangte die Abtei Waldsassen zum zweiten Mal ihre
Reichsunmittelbarkeit. Sie wurde ihr jedoch nur formal zuerkannt, um so die Aufhebung durchführen zu können, da Österreich den Status der Zisterzienser als bayerischen Konvent bestritten hatte. Zu diesem Zeitpunkt umfasste der Grundbesitz des Stiftlands 715 Quadratkilometer bzw. 13 deutsche Quadratmeilenmit 20.000 Untertanen mit der Stadt Tirschenreuth, sechs Marktorten (darunter Waldsassen) und mehr als 150 weiteren Ortschaften. Im Konvent lebten 50 Priester, sieben Kleriker und fünf Konversen. Die Klostergebäude gingen in Staatsbesitz über. Die bisher ausschließlich dem Konvent vorbehaltene große Klosterkirche wurde zur Pfarrkirche umgewandelt (seit 1969 trägt sie den Titel einer Päpstlichen Basilika). 1828 erwarb der Kaufmann Wilhelm Rother den Komplex zur Einrichtung einer Kattunfabrik. Nachdem die Textilfabrik 1863 ihren Betrieb eingestellt hatte, engagierten sich die Marktgemeinde Waldsassen und das Bistum Regensburg für die Wiederherstellung eines Klosters. Im Jahr 1864 erwarb das Zisterzienserinnenabtei Seligenthal bei Landshut große Teile der Anlage, um dort 1865 ein Filialkloster einzurichten. Als Auflage des bayerischen Staates errichteten sie eine Mädchenschule mit Internat. 1894 wurde Waldsassen ein selbstständiges Priorat und 1925 zur Abtei erhoben; 1969 wird die Stiftskirche zur päpstlichen Basilia erhoben.

Ehemaliges Schloss Fockenfeld
Das ehemalige Abteischloss Fockenfeld gehört zum Markt Konnersreuth, stand früher mit dem Kloster Waldsassen in enger Verbindung, weshalb hier auf die Anlage mit eingegangen wird.

Im Jahr 1362 erwarb das Kloster Waldsassen das Gut Fockenfeld, an dem es bereits seit 1268 Zehentrechte besaß und erweiterte es zum klösterlichen Wirtschafts- und Verwaltungshof für die umliegenden Ländereien. Mit der einsetzenden Reformation fand die Ordensherrschaft um 1560 ein vorläufiges Ende und Fockenfeld gelangte wie die übrigen Güter des Klosters für mehrere Jahrzehnte unter den Einfluss weltlicher Herren. Erst nachdem die Oberpfalz zum katholischen Glauben zurückgekehrt war, erhielten die Zisterziensermönche 1669 ihre früheren Besitzungen und damit auch den Gutshof zurück.

Die Wirren von Reformation und Gegenreformation, zerstörerische Einflüsse durch Hussiteneinfälle und zuletzt durch den Dreißigjährigen Krieg waren an den Gebäuden nicht spurlos vorübergegangen, sodass man sich 1750 zu einem umfassenden Neubau entschloss. Mit dieser Aufgabe wurde Frater Philipp Muttone betraut, der bereits mehrere Bauten für das Kloster selbst ausgeführt hatte. Er schuf einen imposanten Barockbau, der den Waldsassener Äbten fortan als Sommerresidenz diente. Von der einstigen ausgedehnten Anlage ist heute lediglich der repräsentative Ostflügel erhalten geblieben.

Die langgezogene, zweigeschossige Front wird von einem Mittelpavillon überragt, hinter dessen beeindruckendem Portal sich ein dreischiffiges Vestibül mit darüber liegendem hohem Saal verbirgt. Ein Brand richtete 1870 schwere Schäden an. Beim Wiederaufbau wurde die Fassade stark verändert und erst bei der Sanierung 1987 wieder in die ursprüngliche Form gebracht. Nach der Säkularisation im Jahre 1803 wurde das Schlossgut versteigert. Danach wechselte es mehrmals den Besitzer, bis schließlich 1951 die Ordensgemeinschaft der Salesianer das Anwesen aufkaufte. Heute ist in dem ehemaligen Abteischloss ein Spätberufenenseminar untergebracht.


Literatur:
Busl, Franz (Hrg.)
Waldsassen – 850 Jahre eine Stätte der Gnade, Hof 1983.
Dehio, Georg:
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler - Bayern V: Regensburg und die Oberpfalz, München 1991.
Herrmann, Dietmar:
Lexikon Fichtelgebirge, Hof 2000.
Keyser, Erich/Stoob, Heinz:
Bayerisches Städtebuch – Teil 2, Stuttgart 1974.
Langhammer, Rudolf:
Waldsassen – Kloster und Stadt, Waldsassen 1936.
Sturm, Heribert:
Districtus Egranus; Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern Reihe II Heft 2.
Sturm, Heribert:
Tirschenreuth; Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern Heft 21.


Weblinks:
www.waldsassen.de
www.abtei-waldsassen.de
www.bayern-fichtelgebirge.de
www.ferienregion-stiftland.de
www.fockenfeld.de  

 


Die Karte zeigt die territoriale Situation in der nördlichen Oberpfalz im 14. Jahrhundert, rechts das eigenständige Stiftland. (Karte aus „Der Landkreis Tirschenreuth“ 1980).

 

Die Stiftsbasilika Waldsassen mit 82,7 m Länge gehört zu den bedeutendsten Barockbauten Süddeutschlands. Sie wurde 1682 bis 1704, nach Abbruch der alten 1179 errichteten romanischen Basilika errichtet. Bedeutende Kirchenbaumeister wie Abraham Leuthner, Georg und Christopf Dientzenhofer, Bernhard Schießer u.a. waren am Bau beteiligt. Beeindruckend ist der festlich, das ganze Kirchenschiff wie ein Rankenwerk umschließende Stuck mit vielen ausdrucksvollen Figuren. Der mächtige Hochaltar mit der aus weißem Marmor gehauenen Verkündigungsgruppe von Karl Stilp und das von Martin Hirsch meisterhaft geschnitzte Chorgestühl prägen den Chorraum. In den beiden kurzen Kreuzarmen des Querschiffs unter der 28 m hohen Vierungskuppel und in den sechs Seitenkapellen beeindrucken kunstvoll gestaltete Nebenaltäre. Unter dem Kirchenschiff befindet sich Deutschlands größte Kirchen- und Klostergruft.


Die Klosterbibliothek wurde 1727 im Übergangsstil vom Hochbarock zum Rokoko vollendet. Kunstvoll von Karl Stilp geschnitzte lebensgroße Holzfiguren tragen die den Saal umlaufende Galerie. Prachtvolle Deckengemälde und Stuckarbeiten ergänzen das einzigartige Schmuckstück der Zisterzienserinnen-Abtei. (Besichtigung möglich und empfohlen.)



Der bedeutendste Rundbau des Barocks wurde 1682 bis 1689 von Georg Dientzenhofer auf dem Glasberg bei Waldsassen errichtet. Die in der Architektur und Ausstattung ausgeprägte Dreiteilung in einer Einheit soll das Geheimnis der heiligsten Dreifaltigkeit symbolhaft deuten.1698 wurde die Kirche vom Kloster Waldsassen übernommen, seit der Säkularisation 1803 betreut der jeweilige Pfarrer der nahen Pfarrei Münchenreuth die Kappl.


Das ehemalige Schloss Fockenfeld, heute Salesianum, wurde 1750 als Sommerresidenz für die Äbte des Klosters Waldassen erbaut. Das Gebäude beherbergt eine Spätberufenenschule mit 60 modern ausgestatteten Schülerzimmern.

 

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