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Urlaubsort und Sonnenuhrdorf S i n a t e n g r ü n
Ortsteil der Kreisstadt Wunsiedel
Von Dietmar Herrmann, Wunsiedel


Topografie

Das Dorf Sinatengrün liegt 3,6 km nordöstlich der Kreisstadt Wunsiedel im Landkreis Wunsiedel i. Fichtelgebirge (Bayern). Die Höhenlage beträgt 550 m ü.NN. Man erreicht das Dorf über die Staatsstraße 2965 Wunsiedel – Holenbrunn - Bernstein.

Zum Ort gehören noch die Bremer-Mühle, die beiden Häuser an der Staatsstraße 2665 von Holenbrunn in Richtung Göpfersgrün und ein stillgelegtes Steinbruchgelände.

Ländliche Siedlungsform

Es handelt es sich hier um ein Rundreihendorf. Die Höfe stehen in größeren, unregelmäßigen Abständen halbkreisförmig in einer weiten Quellmulde um den Dorfteich. Dem Dorf gliedert sich eine Radialwaldhufenflur an, was für die ländlichen Siedlungsformen des Fichtelgebirges typisch ist. (Siehe Abbildung 1). Die Gemarkung Sinatengrün setzt sich aus sieben Hufen zusammen, sicherlich war früher die gleiche Anzahl von Hofstellen vorhanden. Von den sieben „Urhufen“ sind heute zwei unter die Höfe 1, 2, 8 und 9 aufgeteilt. Bei allen anderen Hofstellen erstreckt sich das fast gesamte Grundbesitz eines jeden Bauern in einer heute noch geschlossenen Hufe unmittelbar hinter seinen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden bis an die Grenze der Gemarkung. Nur in der „Peunt“ (=Weideland) und im Anger haben die Bauern kleine zusätzliche Grundstücke. Es dürfte sich hier um ziemlich spät aufgeteilten Gemeinschaftsbesitz (=Allmende) handeln.

Neben den landwirtschaftlichen Anwesen wird bereits 1404 eine Mühle genannt, die Bremermühle. Bis 1950 arbeitete die Mühle mit einem oberschlächtigem Mühlrad von 4m Durchmesser.

Dorferneuerung

In den Jahren 2006 bis 2008 wurde in Sinatengrün die Dorferneuerung durchgeführt, bei der Dorfbewohner und auch manch Urlaubsgast tüchtig mit anpackten. Das Umfeld des Dorfteichs hat sich positiv verändert. Durch den Dorfteich selbst wurde von den Sinatengrünern ein Pfad aus Redwitzitblöcken angelegt.

Ein Bootssteg wurde geschaffen, dahinter eine geschwungene Bruchsteinmauer und daneben ein interessanter Wasserspielplatz. Neben dem Dorfteich entstand ein Feuerwehr- und Gemeinschaftshaus mit überdachtem Freisitz, von dem man einen umfassenden Blick hat.

Name

Die Endung „–grün“ im Ortsnamen deutet auf eine Rodungstätigkeit hin, die ein Mann namens „Sinnat“ durchgeführt hat, ohne das man Näheres darüber weiß. Die Schreibweise des Ortsnamen ist in den folgenden Jahrhunderten unterschiedlich, so z.B. im Landbuch der Sechsämter 1499 „Synatengrün“.

Geschichte

Durch die Dorf- und Fluranlage kann man davon ausgehen, dass die Entstehung in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts stattfand. Der Name Sinatengrün taucht erstmals in Unterlagen aus dem Jahr 1359 auf, als Albrecht Nothaft von Thierstein und auch das Kloster Waldsassen Anspruch auf das Dorf erhoben.1363 setzt sich die Familie Rohrer mit dem Kloster auseinander. 1398 erwarb Fritz Neubauer von Holenbrunn zwei Höfe von den Rohrern und wird am 30. Mai von Burggraf Johann III. damit belehnt. Am 4. April 1404 verkaufte Erhard Rohrer sie der Frühmesse in Weißenstadt um 143 Gulden „fünf Höf und ein Mühl und die Zinsen“. 1417 zinst ein Hof von Sinatengrün zur Kirche St. Veit in Wunsiedel. Nach dem Landbuch der Sechsämter war für die Sinatengrüner das Halsgericht (=Hochgericht) Hohenberg zuständig. 1668 war ein Hof in Sinatengrün Kanzleimannlehen, vier Höfe waren nach Wunsiedel und fünf Güter nach Weißenstadt lehenspflichtig. 1848 werden die gutsherrschaftlichen Rechte der Stadt Wunsiedel beendet. 1824 wurde Sinatengrün zur politischen Gemeinde Bernstein geschlagen, ab 1. Januar 1978 kam Bernstein und damit Sinatengrün zur Stadt Wunsiedel.
Durch Sinatengrün verlief einst eine sehr alte Straße, die von Kemnath kam und über Wunsiedel, Sinatengrün, Bernstein, Stemmasgrün, Höchstädt nach Selb und Asch weiterführte.

Mittelalterlicher Turmhügel

Im Anwesen Rogler befand sich an der Stelle des heutigen Wohnhauses eine mittelalterliche Turmhügelanlage (Abbildung 2). Der Kernhügel, auf dem der Wehrbau stand, misst 20m x 22m, um ihn führte ein Wassergraben. Bei Ausgrabungen wurden Tonscherben gefunden, die dem 13. bis 14. Jahrhundert zuzuordnen sind. Außerdem wurden neben glasierten Scherben des 15. bis 16. Jahrhunderts ein mit Pflanzenornamenten verzierter Bronzebeschlag entdeckt. Vermutet wird, dass das ehemalige Bauwerk auf dem Turmhügel als kleiner Ansitz für den Ausbau des Landes während der Besiedelung einem Ministeralien gedient hat.

Sehenswertes

Beim Hof Rogler steht ein spätgotischer Bildstock aus Granit mit vier spitzen Giebeln schließend, bekrönt durch ein Kreuz. Am Fuß des Schaftes sieht man ein Pflugmesser eingemeißelt und die Jahreszahl 1515 (siehe Abbildung 3).

Sehenswert sind zwei stattliche Wohnbauten aus der Zeit um 1800 (Haus Nr. 7 und 9).

In der Dorfmitte wurde eine Sonnenuhr aufgestellt (Abbildung 4), die es in dieser Art und Form im Fichtelgebirge nicht ein zweites Mal gibt. Das besondere ist, dass es sich hier um eine Uhr aus urwüchsigem Marmor-Gestein handelt, das ganz in der Nähe des Standortes vorkommt. Die Idee, eine Sonnenuhr aus Stein zu setzen, hatte Uwe Köhler aus Sinatengrün. Steinbildhauer Florian Seidel besorgte einen Steinblock und übernahm die erforderlichen Vor- und Schleifarbeiten. Die Firma Naturstein-Büttner erklärte sich bereit, die Sandstrahl-, Mal- und Transportarbeiten zu erledigen. Dies alles wäre aber nicht möglich gewesen, wenn nicht Volker Lotze aus Paderborn, der sich mit astronomischer Navigation beschäftigt, das „Ziffernblatt“ entworfen hätte. So entstand unter Feststellung der Koordinaten mittels GPS-Systems eine eigens für Sinatengrün angefertigte Skala, die bei einem Test minutengenau die Zeit angezeigt hat. Auch die unterschiedlichen Jahreszeiten, in denen Schatten länger oder kürzer werden, berücksichtigt die Skala durch zweifarbig eingearbeitete Zeichen. Und noch etwas ist auf der Sonnenuhr zu sehen: das momentane Sternkreiszeichen.

Da die Sonnenuhr nicht in die Maßnahmen zur Dorferneuerung aufgenommen werden konnte, mussten die anfallenden Kosten auf Initiative von Uwe Köhler durch Sponsoren finanziert werden. Beteiligt haben sich die Sparkasse Fichtelgebirge, der Energieversorger SWW Wunsiedel, die Firma Eberl aus Göpfersgrün, die Firma Naturstein-Büttner GmbH und Martin Keltsch.

Gewerbe

1622 wir eine Gewerkschaft belehnt mit „Philipp Rodels Lehen“ auf Eisenstein im Holz bei Sinatengrün.

1715 wird ein Kalkofen in der Nähe der Bremermühle bekannt, bei dem ein Trüpfhaus errichtet wurde, das 1789 eine „Zapfenschankgerechtigkeit“ bewilligt erhielt. (Siehe auch Geologie).

1879 errichten die Brüder Henri und Louis Meinel aus Wunsiedel, die Großkaufleute in Le Havre sind, ein Sinatengrün ein Kalkwerk. (Abbildung 5).

In Sinatengrün gibt es derzeit noch zwei Vollerwerbs-Bauernhöfe und einen Nebenerwerbs-Bauernhof. Ein Steinbildhauer bearbeitet künstlerisch den Wunsiedler Marmor. Urlaub auf dem Bauernhof sowie Ferienwohnungen werden angeboten und gerne angenommen, da es sich um einen Industriefreien Ort handelt, weit ab von lärmenden Hauptverkehrsstraßen.

Geologie

Eine Besonderheit sind die im Süden des Dorfes liegenden Steinbrüche (Abbildung 6), in denen Marmor gebrochen wurde. Die Kalkmarmore (Fachbezeichnung „Wunsiedler Marmor“) treten im Fichtelgebirge in zwei von SW nach NO streichenden Zügen auf. Der nördliche Kalkzug zieht sich von Tröstau am Rande der Kösseine über Wunsiedel, Sinatengrün, Thiersheim, Kothigenbibersbach bis nach Hohenberg a.d.E. Der südliche Zug beginnt bei Unterwappenöst und lässt sich in der Kösseine-Röslau-Senke mit größeren Unterbrechungen über Neusorg, Waldershof, Marktredwitz, Arzberg bis Schirnding verfolgen. In Steinbrüchen sind verschiedene Farbvarianten zu beobachten: rote, bräunliche oder bläuliche bis schwarz-weiß gestreifte. Bei Sinatengrün und Stemmas kommen auch dolomitische Partien vor. Der Abbau in Steinbrüchen fand schon im Mittelalter statt; in Wunsiedel wurde im 14. Jahrhundert die Stadtmauer aus Marmorsteinen errichtet. Auch das Kunstgewerbe nahm sich der Bearbeitung von Marmor an, wovon Grabplatten und Votivtafeln zeugen. (Abbildung 7) Ab 1890 begann man den Marmorstein zu mahlen, er fand Verwendung in Industrie und als Düngemittel in der Landwirtschaft. In Kalköfen wurde er gebrannt und als gebrannter Kalk für Bauzwecke verwendet. (Abbildung 8).

Literatur

Arzberger, Dieter:
Mühlen im Sechsämterland, S. 175
Der Landkreis Wunsiedel 1968:
S. 25, 70, 87, 98, 234
Herrmann, Dietmar:
Lexikon Fichtelgebirge, Hof 2000
Jäger, Elisabeth:
Wunsiedel Band I, Band II/1, Band III (Stichwort Sinatengrün)
Müller, Friedrich:
Bayerns steinreiche Ecke (Hof 1984), Stichwort Sinatengrün
Singer, Friedrich Wilhelm:
Das Landbuch der Sechsämter von 1499 (Stichwort Sinatengrün)
Stark, Harald:
Zur Ortsgeschichte von Sinatengrün. In: Der Erzähler vom Gabelmannsplatz Nr. 8 März 1990
Tröger, Hans-Günter:
Ein mittelalterlicher Turmhügel in Sinatengrün. In: Der Siebenstern 1966, S. 39
Dank:
Für freundliche Unterstützung danke ich Herrn Uwe Köhler, Sinatengrün
Karten
Bayerisches Landesvermessungsamt München:
Topographische Karte Nr. 5938 Marktredwitz
 

Weblinks

www.sinatengruen.de
www.wunsiedel.de
www.bayern-fichtelgebirge.de
www.tbenker.de
www.becksches-fachwerkhaus.de


Bildergalerie von Sinatengrün

 


Abbildung 1: Sinatengrün ist nach seiner Siedlungsform ein
Rundreihendorf mit Radialwaldhufenflur.


Abbildung 2: Turmhügelanlage im Anwesen Rogler, Sinatengrün 1


Abbildung 3: Spätgotischer Bildstock


Abbildung 4: Sonnenuhr in der Dorfmitte


Abbildung 5: Das ehemalige Kalkwerk Sinatengrün der
Großkaufleute Le Havre


Abbildung 6: Ehemalige Steinbrüche, in denen
Wunsiedler Marmor gebrochen wurde.


Abbildung 7: Künstlerische Bearbeitung des
Wunsiedler Marmors bei Grabplatten/Votivtafeln


Abbildung 8: Verwendungsmöglichkeiten des
Wunsiedler Marmors (Zeichnung: Friedrich Müller)

 

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