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Die Pechhütte in Selb

1. Pech

Unter „Pech“ versteht man im Fichtelgebirge das Harz der Nadelbäume, das durch „Pechreißen“ gewonnen und anschließend in Pechhütten gesotten wurde.

Aus Pech fertigte man Schmierstoffe für Wagenräder, Mühlen und Hammerwerke, Dichtungsmaterial für Fässer, Butten und Boote und auch Haus- und Arzneimittel.

2. Rohstoffgewinnung durch Pechreißen

Bei der Harzgewinnung wurde der Baumstamm teilweise entrindet, danach wurde eine senkrechte Tropfrinne in den Stamm gezogen und später mit dem Harzhobel schräg zur Rinne verlaufende Risse. In einem Gefäß fing man das Weichharz auf und in die Pechhütte zur weiteren Verarbeitung gebracht.

3. Handwerkliche Verarbeitung in der Pechhütte

In der Pechhütte wurden in Kupfer- oder Eisenkesseln das Rohmaterial geschmolzen („Siedepech“), die Verunreinigungen abgeschöpft oder durchgesiebt. Die Kessel besaßen eine Haube mit abführenden Dunströhren. Bei dem Kochvorgang („Pechsieden“) verflüchtigte sich das Terpentinöl und das Wasser, welche im Dunstrohr kondensierten und in einem Gefäß aufgefangen wurden. Das leichtere Terpentin schwamm auf der oberen Schicht und wurde abgeschüttet. Das vom Terpentin und Wasser befreite Pech war nach dem Erkalten eine dunkelgelbe, harte und spröde Masse, das sogenannte „Kolophonium“.

4. Die Selber Pechhütte

Die Selber Pechhütte ist ein 19 m langes Gebäude in Selb, Hohenberger Straße 23. An den Giebeln sieht man ein einfaches Fachwerk.

Die Pechhütte wird urkundlich erstmals im Jahr 1583 erwähnt, sie dürfte aber wesentlich älter sein. Sie lag wegen der Brandgefahr, die von ihr ausging, außerhalb der Stadt.

Die Stadt Selb wurde von mehreren Bränden heimgesucht, die Pechhütte blieb aber immer verschont und dürfte damit das älteste profane Bauwerk der Porzellanstadt sein. 1855 wird letztmals die Pechsiederei in der Pechhütte erwähnt, danach diente das Gebäude bis 1986 als Wohnhaus.

Wegen einer neuen Verkehrsplanung bestand Gefahr, dass das Gebäude abgerissen worden wäre. Von 1983 bis 1987 liefen durch die Ortsgruppe Selb des Fichtelgebirgsvereins unter ihrem Vorsitzenden Heinz Gräßel die Bemühungen, das historische Gebäude zu erhalten und zu erwerben. Am 19. Oktober 1987 konnte der FGV-Hauptverein notariell das Grundstück erwerben. Nun begann für die aktiven Mitglieder der FGV-Ortsgruppe Selb eine Zeit harter Arbeit.

Aus dem Abrissobjekt entstand ein Schmuckstück. Am 10. November 1991 konnte das FGV-Haus eingeweiht werden, das nicht nur ein Vereinsheim der Siebensternler ist, sondern auch ein städtebaulicher Glanzpunkt und ein hervorragendes Kulturdenkmal.

Das Blechdach der Pechhütte war undicht geworden und bedurfte einer dringenden Sanierung, die 2008 auf Veranlassung des Hausbesitzers, der FGV-Ortsgruppe Selb durchgeführt wurde. Strenge Auflagen des Denkmalschutzes mussten dabei beachtet werden. Die historische Holzschindeleindeckung war zu erhalten, die handwerklichen Eingriffe waren dabei subtanzschonend auszuführen. Für den Fassadenanstrich mussten Mineralfarben verwendet werden. Über die Holzschindeln wurde zunächst eine Lattung angebracht, dann die Schalung und zum Schluss Titanzinkblech (siehe Foto). Die Fassade wurde gereinigt, verputzt und gestrichen.

Die gesamten Baumaßnahme konnte Selber Firmen übergeben werden: Flaschnerei Schwenk, Holzbau Wegmann, Malerbetrieb Rotsching und Schreinerei Wolfgang Künzel. Außer dem ehrenamtlichen Einsatz der FGV-Mitglieder mussten insgesamt über 25.000 Euro aufgewendet werden. Zuschüsse wurden bewilligt von der Oberfrankenstiftung (8.000 EUR), der Stadt Selb (2.300 EUR), dem Landkreis Wunsiedel und dem Landesamt für Denkmalpflege. Aus der Selber FGV-Ortsgruppenkasse flossen 10.000 Euro in die Dachsanierung.

5. Literatur

Pechstein für die Pechhütte
Frankenpost – Selber Tagblatt 24.08.1994

Optimale Stabilität und Dämmung erreicht
Frankenpost – Selber Tagblatt 30.09.1998

20 Jahre Pechhütte – Vereinsheim des FGV Selb
Frankenpost – Selber Tagblatt Oktober 2007

Hasel, Karl
Forstgeschichte (Hamburg 1985) S. 162

Seidel, Chr.
Von der ehemaligen Pechsiederei im Fichtelgebirge, in: Der Siebenstern 1927, S. 24

www.escherlich.de (Die Pechsieder in Föllmar)
http://de.wikipedia.org/wiki/Pecherei

 

Anschrift des Verfassers und Fotos:
Dietmar Herrmann, Friedrich-Meinel-Straße 26, 95632 Wunsiedel

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