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Die Namen Wurzstein und Wurzbach bei Warmensteinach
Siegfried Pokorny

Auf einem eindrucksvollen Bergsporn zwischen Steinach und dem Wurzbach, der zwischen dem Pfeiferhaus und Zainhammer (Gemeinde Warmensteinach) in die Steinach mündet, liegen die Reste der alten Burganlage Wurzstein. Lange schlummerte sie im Verborgenen. Erst in jüngster Zeit rückte sie wieder stärker ins Licht der Öffentlichkeit, dank des Engagements heimatgeschichtlich interessierter Warmensteinacher und Weidenberger Bürger. In Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege und dem zuständigen Forstamt wurden die steilen, bisher nur schwer begehbaren Hänge des Bergsporns entbuscht, Hinweisschilder angebracht, ein Rundweg angelegt und eine Informationstafel aufgestellt.

Der Name des Wurzsteins taucht zum ersten Mal in einer Urkunde aus dem Jahr 1535 auf, in der die Belehnung eines Angehörigen der Familie von Künsberg zu Weidenberg u. a. mit dem „Wurtzstein“ ausgesprochen wird. Genau hundert Jahre früher aber wird bereits der Name des Wurzbaches aktenkundig. In einer Wildbannbeschreibung aus dem Jahre 1435 wird der „Wurczpach“ als Abschnitt einer angeblichen Grenze eines kurpfälzischen (= oberpfälzischen) Wildbanns genannt.

 

Der Name des Wurzbaches
Das Bestimmungswort Wurz- ist identisch mit dem schon vor über tausend Jahren belegten deutschen Wort wurz in der Bedeutung ‚Pflanze, Kraut, Wurzel’, wie es heute noch etwa in den Pflanzennamen Hauswurz und Nieswurz vorkommt. Der Wurzbach wäre demnach ein Bach, der sich durch einen reichen Pflanzenbewuchs auszeichnet.

 

Der Wurzbach unterhalb des Wurzsteins

 

Mindestens heute gilt dies weniger für seinen Unter- als für seinen farngesäumten Oberlauf. Nach einer anerkannten Flurnamenkunde könnte Wurz auch ‚abgehauener Baumstock’ bedeuten, so dass der Wurzbach ein Bach wäre, in dessen Bereich es viele abgehauene Baumstöcke gegeben hat, was allerdings für das tiefeingeschnittene Wurzbachtal wohl weniger in Fragen kommen dürfte.

 


Der Wurzbach nach seinen Austritt aus dem Wurzweiher

 


Der Wurzweiher

 

Im Einmündungsbereich des Wurzbaches in die Steinach existierte eine nur 1692 erwähnte, seitdem aber spurlos verschwundene Siedlung gleichen Namens. Von ihr ist lediglich bekannt, dass sie nach Weidenberg pfarrte. Das gleiche Bestimmungswort Wurz- findet sich – mit mitteldeutschem o statt u - in dem 1250 als Vorcbach genannten thüringischen Städtchen Wurzbach, etwa sieben Kilometer westlich Lobenstein (Saale-Orla.Kreis). Auch sein Name leitet sich von einem gleichnamigen Bach ab, dem „Wurzbächle“, das in Wurzbach in die Sormitz mündet. Südlich Grafenwöhr mündet rechts in die Heidenaab der Wurzenbach (1416 Wurtzenpach). Einen Wurzbach, erklärt als „Verkrauteter Bach, Bach mit Wurzelwerk“, und eine abgegangene gleichnamige Siedlung (1542 wustung wurtzbach) gibt es im Naturpark Hassberge. Das gleiche Bestimmungswort darf in den Namen Wurzach, Ortsteil der Stadt Rott am Inn, und Bad Wurzach (1273 Oppidum Wurzun) im Landkreis Ravensburg vermutet werden. In abgewandelter Bedeutung findet es sich

 darüber hinaus in mehreren  Kärntner Ortsnamen in Bezug auf „Bergeinsattlungen und Übergänge, gewissermaßen für die tiefste Wurzel eines Bergkammes“ (Kranzmayer). Bekanntestes Beispiel: der Wurzenpass südlich von Villach. Nichts mit dieser Herkunft zu tun haben jedoch weder der ebenfalls Kärntner Ort Wurz und das sächsische Wurzen östlich von Leipzig. Beide sind unterschiedlicher slawischen Ursprungs. Ob aber der Warmensteinacher Wurzbach mit dem 1069 in einer auf den alten Nordgau bezogenen Urkunde genannten Wrzaha (aus wurz + aha ‚Wasser’) identifiziert werden kann, bleibt aus vielerlei Gründen zweifelhaft. Mindestens wurde dieses Wrzaha in der wissenschaftlichen Literatur bisher ausnahmslos auf den Ort Wurz, Ortsteil der Gemeinde Püchersreuth im Landkreis Neustadt a. d. Waldnaab, bezogen.

 

Slawischer Name?
In jüngster Zeit wurde die Ableitung des Bestimmungswortes Wurz- aus dem altslawischen *vorta, später *vrota ‚Tor, Pforte, Tür’ vorgeschlagen, das sich in der Bedeutung ‚Tor’ z. B. im polnischen wrota, im tschechischen vrata, im russischen woróta erhalten hat, außerdem in zahlreichen Ortsnamen, z. B. Vrata in Kroatien, Worotowka in Russland. Abgesehen davon, dass die Bedeutung Tor, Pforte, Tür für einen Gewässernamen keinen rechten Sinn macht, ist eine solche Ableitung aus einem ganz einfachen anderen Grund nicht möglich: Bei der Übernahme altslawischer Wortelemente ins Deutsche wurde t nicht zu z, sondern blieb als t erhalten, wie etwa in dem fichtelgebirgischen Bach- und Ortsnamen Zoppaten aus slawisch *Sopotna.

Der Name des Wurzsteins
Der Name des Wurzsteins leitet sich ganz offensichtlich von dem Bachnamen ab. Sehr wahrscheinlich lautete der Name ursprünglich Wurzbachstein. Durch Ausfall des Mittelglieds „bach“ wurde Name dann zu Wurzstein verkürzt, ein in der Namengebung häufig zu beobachtender Vorgang. War der Wurzstein aber zuerst allein ein reiner Flurname wie etwa der des gut einen Kilometer weiter westlich gelegenen Weißensteins und bezeichnete nur das Felsmassiv? Oder aber war er von Anfang an einer der zahlreichen Burgennamen auf –stein (Burg Stein zwischen Bad Berneck und Gefrees, Rudolfstein, Epprechtstein, Waldstein)?

 

Der mächtige Halsgraben der Burgstein Wurzstein, der den Zugang zur Burg von Nordosten her verwehrte

 

Der von dem Bachnamen abgeleitete Name spricht eher – wie der des Waldsteins – für einen ursprünglichen Flurnamen, der dann auf die Burg übertragen wurde. Wann diese errichtet wurde, ist unbekannt. Nach Norbert Hübsch, Geschäftsführer des Historischen Vereins von Oberfranken, einem ausgewiesenen Experten in Sachen Bodendenkmäler, dürfte sie auf Grund von archäologischen Funden im 13. Jahrhundert angelegt worden sein.

Literatur und Auskünfte:
BLEIER, Siegfried (2001): Warmensteinach von den Anfängen zur Gegenwart. Ein Streifzug durch die Geschichte. Horb am Neckar.
EICHLER, Ernst/GREULE, Albrecht/JANKA, Wolfgang/SCHUH, Robert (2006): Beiträge zur slavisch-deutschen Kontaktforschung. Band 2. Siedlungsnamen im oberfränkischen Stadt- und Landkreis Bayreuth. Heidelberg.
ETYMOLOGISCHES WÖRTERBUCH DES DEUTSCHEN. Erarbeitet unter der Leitung von Wolfgang Pfeifer. Berlin (dtv). 1999
KRANZMAYER, Eberhard  (1958):  Ortsnamenbuch von Kärnten. II. Teil. Alphabetisches Kärntner Siedlungsnamenbuch. Klagenfurt.
KRÖLL, Joachim (1967): Geschichte des Marktes Weidenberg. Bayreuth.
HERRMANN, Harald (2008): Burgruine Wurzstein im Steinachtal. Eine typologische Studie. Bamberg.
ROSENKRANZ, Heinz (1982): Ortsnamen des Bezirks Gera. Herausgegeben vom Kulturbund der Deutschen Demokratischen Republik - Kreissekretariat Greiz.

SCHMIEDEL, Werner (1973): Landkreise Ebern und Hofheim. Historischer Atlas von Bayern, Unterfranken, Band 2. München.
SCHNETZ Joseph: (1997): Flurnamenkunde. 3. unveränderte Auflage der ersten Auflage von 1951. München.
SCHWARZ, Ernst (1960): Sprache und Siedlung in Nordostbayern. Nürnberg.
ŠMILAUER, Vladimír (1970): Prírucka slowanské toponomastiky. Handbuch der slawischen Toponomastik. Prag.
STADTVERWALTUNG WURZBACH
STURM, Heribert (1978): Neustadt an der Waldnaab – Weiden. Gemeinschaftsamt Parkstein, Grafschaft Störnstein, Pflegamt Floß (Flossenbürg). Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern, Heft 47. München.
WILL, Johann, Das Teutsche Paradeiß in dem vortrefflichen Fichtelberg. Mit Fascimile-Wiedergabe des Original-Titelblattes und einer von gleicher Hand stammenden Karte des Fichtelgebirges, in: Archiv für Geschichte und Alterthumskunde von Oberfranken 16. 1885.
WILL, Dr. J. (1939): Die

Ortsnamen des Landkreises Neustadt a. d. Waldnaab. In: Heimatblätter für den oberen Naabgau, 17. Jg. S. 19-56.
http://de.wikipedia.org/wiki/Bad_Wurzach#Geschichte

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